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04.07.2025 /14:33:23
FOKUS 2-Insider - Basis-Wehrdienst nach neuem Gesetz sechs Monate

(Neu: Verteidigungsministerium, Linkspartei)

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Wehrdienstgesetz soll Ende August ins Kabinett



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Erste Rekruten nach neuem Gesetz ab Mai 2026



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Insider: Pflicht-Komponente mit Kabinetts- und Bundestagsbefassung



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Verteidigungsministerium: Gesetzentwurf kommt bald

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Wehrdienst soll für 100.000 weitere Reservisten sorgen
 
- von Markus Wacket
Berlin, 04. Jul (Reuters) - Die Bundesregierung treibt
Insidern zufolge die Pläne für das neue Wehrdienstgesetz voran.
Der neue Dienst soll nach Angaben aus Regierungs- und
Parlamentskreisen vom Freitag ein halbes Jahr dauern. Mit dieser
Kurz-Ausbildung wolle man auf freiwilliger Basis schnell
ausreichend Rekruten zumindest für einfache Aufgaben wie
Bewachung und Kontrollen gewinnen, sagten mit den Plänen
Vertraute der Nachrichtenagentur Reuters. Aufbauend auf dieser
Heimatschutz-Ausbildung könnten die Freiwilligen sich für
weitere Zeiträume verpflichten, um etwa den Lkw-Führerschein zu
machen oder sich zum Panzerfahrer ausbilden zu lassen. Verankert
werden soll dies im neuen Wehrdienstgesetz, das zunächst auf
Freiwilligkeit setzen will. Fehlen trotz der kurzen
Ausbildungszeit die nötigen Soldaten, soll eine Form der
Wehrpflicht greifen. Diese müsse den Plänen zufolge dann
nochmals von Kabinett und Bundestag gebilligt werden, hieß es.
Das Bundesverteidigungsministerium erklärte, unsere
Vorbereitungen für einen neuen Wehrdienst im Haus und in der
Truppe laufen auf Hochtouren. "Die genauen Details zum Gesetz
werden wir dann nach der ersten parlamentarischen Befassung
erläutern können." Man werde die Abstimmung zeitnah abschließen
und dann das Gesetzgebungsverfahren starten.

Den Insidern zufolge will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) das Gesetz Ende August im Kabinett beschließen lassen. Es soll ab 2026 greifen. Ab Mai 2026 könnten erste Soldaten nach dem neuen Gesetz ihren Wehrdienst antreten. Sie würden dann bei Bezahlung und anderen Konditionen deutlich besser gestellt als dies beim derzeitigen Freiwilligendienst der Fall ist. Der Dienst soll so attraktiv sein, dass damit eine zwangsweise Einziehung von Soldaten gar nicht erst erforderlich ist. Durch den raschen Bau improvisierter Kasernen will man den Insidern zufolge sicherstellen, dass die Freiwilligen möglichst heimatnah trainiert werden können.

Dennoch gilt unter Experten reine Freiwilligkeit als kaum ausreichend - selbst wenn mit dem Sechs-Monats-Dienst zwei Ausbildungsläufe pro Jahr möglich sind: Verteidigungsminister Pistorius will die stehenden Streitkräfte angesichts der russischen Bedrohung und den Nato-Anforderungen von gut 180.000 Soldaten auf 260.000 aufstocken. Als Nebeneffekt des Wehrdiensts erhofft man sich, dass mehr Soldaten länger bei der Bundeswehr bleiben und damit die aktive Truppe stärken. Vor allem aber soll der Wehrdienst helfen, die Zahl der ausgebildeten Reservisten zu verdoppeln. Derzeit stehen etwa 100.000 zur Verfügung. Bis Ende des Jahrzehnts müssten also gut 100.000 Rekruten gewonnen werden. Ziel für die Gesamttruppe sind 460.000 Soldaten.

Daher soll im Wehrdienstgesetz bereits verankert sein, wann man um eine Pflicht nicht mehr herumkommt. Dafür ist den Insidern zufolge kein neues Gesetz geplant, wohl aber eine Form der Befassung von Kabinett und Bundestag, hieß es. Wie viel Spielraum der Bundestag dann noch bekommt oder ob die Pflichtkomponente bei Erfüllung bestimmter Kriterien dann nahezu automatisch greifen wird, sei noch offen.

Die Linkspartei kritisierte die Überlegungen: "Mit den Plänen für die Einführung eines 'freiwilligen' Basis-Wehrdienstes per Gesetz betreibt Verteidigungsminister Pistorius reine Augenwischerei", sagte die Abrüstungsexpertin Desiree Becker. Ginge es nur um die Verbesserung der Attraktivität der Bundeswehr für junge Menschen, würde eine Verbesserung der Anreize für den bereits bestehenden Freiwilligen Wehrdienst ausreichen.



PISTORIUS VOR ALLEM IN EIGENER PARTEI UNTER DRUCK

Pistorius steht in diesem Punkt auch unter großem Druck seiner eigenen Partei und Fraktion. Auf dem SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende konnte er nach zähen Verhandlungen einen Antrag der Jusos abbiegen, der einen völligen Verzicht auf jede Form der Pflicht vorsah. Die Debatte zeigte, wie umstritten eine Wehrpflicht bei den Sozialdemokraten ist. Die Union will die Pflichtkomponente möglichst verbindlich im Gesetz einbauen. Sie fürchtet, dass für ein späteres, eigenes Pflicht-Gesetz der SPD dann die Kraft fehlen könnte.

Ohnehin wird der Gesetzentwurf von Pistorius noch weitere Streitpunkte enthalten: Wenn die Pflichtkomponente greift, muss das Gesetz auch die Frage beantworten, wer dann eingezogen wird. Ein kompletter Jahrgang umfasst etwa 300.000 junge Männer. Die Bundeswehr wird in den nächsten Jahren nach Schätzungen höchstens ein Zehntel ausbilden und unterbringen können. Es müssen also für die Wehrgerechtigkeit Kriterien festgelegt werden, wer eingezogen und wer zurückgestellt wird.

(Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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