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19.09.2024 /06:18:40
WDHLG-TOP-THEMA-US-Zinswende im XL-Format - "Notenbanker gehen direkt in die Vollen"

(Wiederholung vom Vorabend)

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Notenbank senkt Leitzins erstmals seit März 2020

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Fed wagt großen Zinsschritt

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Fed reagiert auf Abebben der Inflationswelle

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Notenbank signalisiert weitere Schritte nach unten
 
- von Howard Schneider und Ann Saphir
Washington/Berlin, 18. Sep (Reuters) -

Die US-Notenbank geht die Zinswende mit einem ungewöhnlich großen Schritt an und will die Geldpolitik weiter lockern. Erstmals seit Anfang des Jahrzehnts wurde der Schlüsselsatz am Mittwoch gesenkt - und dies sogleich um einen halben Prozentpunkt. Er liegt nunmehr in der Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Manche Händler hatten auf einen solchen XL-Schritt spekuliert. US-Notenbankchef Jerome Powell machte klar, dass die Währungshüter angesichts der Fortschritte an der Inflationsfront und einer Abkühlung des Arbeitsmarkts die kräftige Senkung für "die richtige Sache" hielten. Doch sei dies nicht "das neue Tempo" auf dem Zinspfad nach unten. Vielmehr werde sich die Notenbank flexibel von Sitzung zu Sitzung weiterbewegen.

"Die US-Notenbanker gehen bei der wohlvorbereiteten Zinswende direkt in die Vollen", sagte LBBW-Ökonom Elmar Völker. Und sie avisierten weitere Schritte nach unten. Bis Ende des Jahres könnte der Leitzins laut dem aktualisierten Ausblick der Währungshüter noch um einen halben Prozentpunkt sinken. Nach weiteren Senkungen dürfte er dann 2026 in einer Spanne von 2,75 bis 3,00 Prozent landen.

Wie der Zentralbankchef erläuterte, ist die Fed nicht in
Eile, das geldpolitische Niveau weiter rasch nach unten zu
drücken. Nichts im Zinsausblick deute auf eine Dringlichkeit
hin, betonte Powell. An den Terminmärkten wird damit gerechnet,
dass es im November weiter nach unten geht - dann aber nur um
einen Viertel-Prozentpunkt.
 
"So spektakulär die große geldpolitische Lockerung auf
den ersten Blick aussehen mag, bei genauerer Analyse hat sich am
US-Zinsausblick wenig verändert", erläutert der Chefökonom der
VP Bank, Thomas Gitzel. Zwar dürfte die Fed im laufenden Jahr
ihre Leitzinsen etwas stärker zurücknehmen als erwartet. Doch
die für das kommende Jahr auf dem Zinspfad nach unten
signalisierten 100 Basispunkte sehen nach Meinung des Experten
nicht nach einem aggressiven Zinssenkungskurs aus.

Die nun erfolgte große Zinswende wurde mit elf zu eins Stimmen im Offenmarktausschuss der Fed durchgewinkt: Nur Direktoriumsmitglied Michelle Bowman hatte für einen kleineren Schritt nach unten im Umfang von einem Viertel-Prozentpunkt plädiert. Mit der Senkung um 50 Basispunkte beflügelte die Notenbank die US-Börsen zunächst. Die US-Indizes, die zuvor auf der Stelle getreten hatten, legten deutlich zu. Im späteren Verlauf gaben sie die Gewinne jedoch wieder ab. Der Dollar gab leicht nach: der Dollar-Index <.DXY> verlor 0,1 Prozent auf 100,80 Punkte.

Die letzte Zinssenkung der Fed datiert vom März 2020,
als die Notenbank auf den Konjunktur-Einbruch in der
Corona-Krise reagierte. Danach hielt sie den Leitzins lange nahe
der Null-Linie, bevor sie ein Inflationsschub 2022 zu teilweise
massiven Zinserhöhungsschritten zwang. Seit Juli vorigen Jahres
lag der Schlüsselsatz dann in der Spanne von 5,25 bis 5,50
Prozent.
"GEDULD HAT SICH GELOHNT"

Mit einer Inflationsrate von zuletzt 2,5 Prozent ist die Notenbank ihrem Ziel von zwei Prozent näher gekommen - ein wichtiges Kriterium für ein Lockern der Zinszügel. Die Fed ist damit allerdings keine Vorreiterin: Die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Bank of England haben die Wende bereits im Sommer vollzogen. Die EZB hat vorige Woche sogar schon nachgelegt. Powell betonte, er glaube nicht, dass die Zentralbank zu lange mit der Senkung des Leitzinses gewartet habe. Die Geduld habe sich ausgezahlt, wie an der abebbenden Inflation abzulesen sei.

(Redaktion Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Anika Ross, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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