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09.11.2024 /14:32:45
HINTERGRUND-Neuwahl im Karneval? - Die Tücken der Terminfindung

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Debatte über Termin der vorgezogenen Bundestagswahl

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Neben politischen auch rechtliche und praktische Fragen

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Wahlleiterin warnte vor überstürztem Vorgehen

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Weihnachten, Schulferien und Fasching werfen Probleme auf
 
- von Jörn Poltz
09. Nov (Reuters) - In der Debatte über die vorgezogene
Neuwahl des Bundestags scheint sich das Feld der möglichen
Termine zu lichten. Denn neben der politischen Frage, ob
Deutschland mit der rot-grünen Minderheitsregierung von Kanzler
Olaf Scholz (SPD) eine monatelange Hängepartie droht, stehen die
Verantwortlichen auch vor einer Reihe rechtlicher und
praktischer Fragen, von denen der Wahltermin abhängt.
Berücksichtigt werden müssen gesetzliche Fristen, logistische
Aufgaben, Ferien und Feiertage, womöglich auch die Wahl zum
Landesparlament in Hamburg am 2. März.

Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte am Freitag vor einer überstürzten Neuwahl und will sich Medienberichten zufolge am Montag mit den Wahlleitern der Bundesländer beraten. Scholz signalisierte unterdessen Bereitschaft, parteiübergreifend eine Verständigung über den Wahltermin herbeizuführen.

Der von Scholz ins Spiel gebrachte Wahltermin "spätestens Ende März" wird vielfach als zu spät kritisiert. Oppositionsführer und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) fordert Neuwahlen bereits im Januar. CSU-Chef Markus Söder verlangte sogar, den Bundestag so rasch neu zu wählen, dass eine neue Bundesregierung schon vor dem Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar stehen könne. Umfragen zufolge kann die Union mit einem klaren Wahlsieg rechnen, dürfte aber einen Koalitionspartner benötigen. Auch in der Wirtschaft und in Umfragen überwog zuletzt die Forderung nach raschen Neuwahlen.

Doch nach den Vorgaben des Grundgesetzes hat es der Kanzler allein in der Hand, den Stein ins Rollen zu bringen. Die von ihm angekündigte Vertrauensfrage ist nach der Verfassung praktisch die einzige Möglichkeit, Neuwahlen einzuleiten. Wenn der Kanzler den ersten Schritt geht, stehen allerdings auch der Bundestag, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und weitere Beteiligte in Bund, Ländern und Kommunen in der Verantwortung.

Scholz hatte angekündigt, dem Bundestag die Vertrauensfrage so zu stellen, dass das Parlament am 15. Januar darüber abstimmen könne. Den formellen Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen, müsste Scholz laut Artikel 68 des Grundgesetzes 48 Stunden vorher stellen, also am 13. Januar. Wenn der Bundestag Scholz wie erwartet das Vertrauen verweigert, kann der Bundespräsident das Parlament auflösen. Steinmeier hat signalisiert, dass er grünes Licht geben könnte. Für diese Entscheidung hat er laut Grundgesetz 21 Tage Zeit.

Nach der Parlamentsauflösung tickt die Uhr: Dann bleiben laut Artikel 39 des Grundgesetzes maximal 60 Tage Zeit, um den Bundestag neu zu wählen. Auf diese Frist verwies Bundeswahlleiterin Brand, die als Chefin des Statistischen Bundesamts oberste Koordinatorin der Wahl ist. In einem Brief an Scholz erklärte sie, es sei "erforderlich, den Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Deutschen Bundestages voll ausschöpfen zu können, um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können". Denn die Vorbereitung sei ein Kraftakt vor allem für kleinere Parteien und für Behörden, insbesondere kommunale Wahlbehörden. Allein der Druck von Stimmzetteln sei angesichts von Papierknappheit und Auftragsvergabe an Druckereien "mit längerem Vorlauf verbunden".

Zwar zeigte sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) laut RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) offen für einen vorgezogenen Wahltermin. Doch Wahlleiterin Brand warnte davor, den Bundestag bereits im November oder im Dezember aufzulösen: "Soweit Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, wäre der nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt", schrieb sie. Das weckte Erinnerungen an das Chaos im Land Berlin bei der regulären Bundestagswahl 2021. Nachdem es wegen logistischer Überforderung der Behörden zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen war, musste die Wahl dort in Teilen wiederholt werden.

Eine wichtige Rolle spielt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie kann nach Paragraph 52 des Bundeswahlgesetzes weitere Fristen, die im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung genannt sind, durch Rechtsverordnung kippen. Falls die Beteiligten zu dem Schluss kommen, dass ihnen das Pannenrisiko angesichts der Weihnachtsferien zu groß ist, könnte ein weiteres Szenario ins Spiel kommen: Falls Scholz statt im Januar bereits in einer der letzten Bundestagssitzungen vor der Weihnachtspause über die Vertrauensfrage abstimmen lässt, hätte Steinmeier die Möglichkeit, den Bundestag nach den Feiertagen Anfang Januar aufzulösen.

FASCHINGSFERIEN IN BAYERN

In diesem Fall liefe die 60-Tage-Frist bis Anfang März. Doch dann droht neues Ungemach: Nicht nur liegen zwischen Ende Januar und Ende März in den meisten Bundesländern erneut verschiedene Schulferienzeiten, was Wahlkampf und Vorbereitungen beeinträchtigen könnte. Hinzu kommt, dass im Falle der von Brand geforderten Ausschöpfung der Frist frühestens am 2. März gewählt werden könnte. An diesem Sonntag wird allerdings in mehreren Regionen Karneval, Fastnacht beziehungsweise Fasching gefeiert. Das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen bereitet sich auf den Rosenmontag vor, und das von der CSU dominierte Bayern geht in die Faschingsferien.

Unterdessen wählt Hamburg am 2. März sein Landesparlament, die Bürgerschaft. Das könnte auch deswegen zum Politikum werden, weil Scholz früher Bürgermeister der Hansestadt war. In Hamburg ist die SPD einerseits traditionell stark und könnte bundespolitisch von örtlichem Rückenwind profitieren. Andererseits muss die Landespartei Umfragen zufolge Stimmenverluste befürchten, während die CDU auf Zugewinne hoffen kann. Scholz' Nachfolger im Bürgermeisteramt, SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher, signalisierte bereits die Befürchtung, dass seine Landespartei in den erwarteten bundesweiten Abwärtsstrudel der Sozialdemokraten geraten könnte. "Eine Überlagerung bundespolitischer Themen in den Hamburger Wahlkampf wäre mir nicht recht", zitierte die "Welt" Tschentscher.

(Bericht von Jörn Poltz. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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