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07.10.2024 /08:27:05
SPOTANALYSE-Ökonomen zum kräftigen Auftragsminus der deutschen Industrie

Berlin, 07. Okt (Reuters) - Die deutsche Industrie hat spürbar an Neugeschäft verloren. Nach zwei Anstiegen in Folge sanken die Bestellungen im August um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat und damit stark wie seit Januar nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang von 2,0 Prozent gerechnet. Allerdings fiel das Auftragsplus vom Juli mit revidiert 3,9 Prozent höher aus als anfangs mit 2,9 Prozent gemeldet.

Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:

SEBASTIAN DULLIEN, WISSENSCHAFTLICHER DIREKTOR IMK-INSTITUT:

Der deutliche Rückgang der Auftragseingänge im August unterstreicht die schwierige Situation der deutschen Industrie und ist ein klares Krisensignal. Die drei wesentlichen Schlüsselbereiche der deutschen Industrie sind alle massiv von der Schwächephase betroffen: Der Automobilbau, der Maschinenbau und die Chemie. Das IMK rechnet derzeit für das laufende Jahr mit einer Stagnation des deutschen Bruttoinlandsprodukts und kommendes Jahr mit einem Plus von 0,7 Prozent. Die sich derzeit verschärfende Lage in der Industrie bedeutet ein Abwärtsrisiko für diese ohnehin nicht optimistische Prognose. Wachstumsraten von mehr als einem Prozent, wie sie die Bundesregierung für 2025 wohl erwartet, sind nach aktuellem Datenstand unrealistisch.?

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Das Leiden der Industrie wird anhalten. Im globalen verarbeitenden Gewerbe ist nun schon seit längerem eine allgemeine Investitionszurückhaltung feststellbar. Auch in den USA ist die Industrie mit einem schwachen Auftragseingang konfrontiert und in China versucht derzeit die Staatsregierung den heimischen Firmen mit Konjunkturprogrammen auf die Beine zu helfen. Dies zeigt schon, wie schlecht es derzeit um die globale Industrie bestellt ist. Deutschland hat unter allen G7-Nationen den höchsten Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt und ist dringend auf Aufträge aus dem Ausland angewiesen. Bleiben diese aus, leidet die gesamte Wirtschaft. Solange die Auftragseingänge schwach sind, wird die deutsche Wirtschaft ihre Durststrecke fortsetzen."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

"Selbst wenn man die Revision für Juli berücksichtigt und die Großaufträge beiseitelässt, war das eine schwache Zahl. Der zarte Hoffnungsschimmer nach zwei guten Zahlen im Juni und Juli ist wieder verloschen. Andererseits: Wer würde im jetzigen Umfeld noch mit positiven Überraschungen rechnen? Die Frühindikatoren fallen, die Prognosen sinken, die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Alles fühlt sich an wie eine Rezession."

JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM COMMERZBANK:

"Das deutliche Minus bei den Aufträgen ohne die schwankungsanfälligen Großaufträge ist eine herbe Enttäuschung. Es passt aber zu Stimmungsindikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklima, die bis zuletzt gefallen sind. Alles in allem rechnen wir für das zweite Halbjahr beim Bruttoinlandsprodukt allenfalls mit einer Stagnation. Von der ersehnten Konjunkturerholung ist weit und breit nichts zu sehen."

(Bericht von Klaus Lauer. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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