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03.07.2025 /11:18:05
FOKUS 1-Wirtschaft und Unions-Politiker kritisieren Koalitionsbeschlüsse

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CDA-Vorsitzender: Wahlversprechen gebrochen

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Scharfe Kritik der Wirtschaftsverbände

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Spahn und Bas verweisen indes auf Entlastungen für Bürger
 
(Durchgehend neu, mehr Reaktionen)
Berlin, 03. Jul (Reuters) - Die Beschlüsse des
Koalitionsausschusses sind auf scharfe Kritik der Wirtschaft und
bei prominenten CDU-Politikern gestoßen. Der Bundesvorsitzende
der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis
Radtke (CDU), warf der schwarz-roten Koalition wegen der
ausbleibenden Stromsteuersenkung für Verbraucher vor, ein
zentrales Wahlversprechen nicht einzulösen. "Diese Koalition hat
nicht nur die Aufgabe, Deutschland wieder voranzubringen,
sondern auch verlorenes Vertrauen in Politik
wiederherzustellen", sagte Radtke zu "Bild". Die
Stromsteuer-Senkung für alle sei ein zentrales Versprechen der
Unions-Wahlkampagne gewesen. SPD-Co-Chef und Finanzminister Lars
Klingbeil verteidigte die Beschlüsse und verwies auf die
beschlossenen Entlastungen.

CDA-Chef Radtke hatte zuvor gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters vorgeschlagen, lieber die erneute Erhöhung der Mütterrente zurückzustellen, um die Senkung der Stromsteuer für alle zum 1. Januar 2026 möglich zu machen. Stattdessen hatte der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD am Mittwochabend aber beschlossen, die Erhöhung der von der CSU geforderten Mütterrente von 2028 auf 2027 vorzuziehen.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst wies Finanzminister Klingbeil die Verantwortung zu, dass der Strompreis für die Verbraucher nicht gesenkt wird. "Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen ? und es gibt eine Menge Möglichkeiten", sagte der CDU-Politiker dem Newsletter Politico. Auch Wüst hatte vor dem Treffen gefordert, dass die Stromsteuer nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Verbraucher gesenkt wird.

"Für überflüssige Rentengeschenke gibt es genug Geld", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, mit Blick auf die nun auf 2027 vorgezogene Ausweitung der Mütterrente. Er kritisierte, dass die Stromsteuer nicht für alle Unternehmen abgesenkt würden. Trotz der nun angekündigten Senkung der Netzentgelte bleibe Deutschland bei den Stromkosten an der europäischen Spitze. Kritik kommt auch vom Handelsverband Deutschland (HDE). "Auf das Wort der Bundesregierung ist offenbar kein Verlass", sagte HDE-Präsident Alexander von Preen. "Wenn nicht einmal ein zentrales Entlastungsversprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst wird, sehe ich schwarz für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland."

KOALITIONS-POLITIKER VERTEIDIGEN EINIGUNG

Mehrere Unions- und SPD-Politiker hielten aber dagegen. Klingbeil verwies auf die beschlossenen Entlastungen. "Für zehn Millionen Frauen und Mütter in Deutschland gibt es höhere Renten. Auch damit können sie etwas Stromkosten bezahlen", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn in der ARD zudem. "Wir haben jetzt erstmal die Priorität auf die Wirtschaft gelegt", betonte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) in der ARD. Das sei wichtig, der Arbeitsmarkt sei "sehr angespannt", man wolle ihn stabilisieren. "Das war die Priorität."

SPD-Fraktionsvizechefin Wiebke Esdar sagte Reuters, dass der Koalitionsausschuss gezeigt habe, dass Klingbeils Vorschläge dem entsprechen, "was bei solider Haushaltsführung derzeit möglich ist". Beschlossen seien eine Entlastung von privaten Haushalten und der Wirtschaft bei den Energiepreisen um zehn Milliarden Euro im Jahr. "Für eine vierköpfige Familie sind das immerhin 100 Euro mehr im Jahr", sagte Esdar. "In den letzten Tagen ist deutlich geworden, dass einige Akteure in der Union noch darum ringen in dieser finanzpolitischen Realität anzukommen - darum ist es gut, dass diese Vereinbarungen im Koalitionsausschuss bekräftigt wurden." Für die SPD würden Entlastungen in den kommenden Haushaltsverhandlungen für 2025 und 2026 Schwerpunkt bleiben.

Der Koalitionsausschuss hatte sich am Mittwochabend nach fünfstündigen Verhandlungen nicht auf eine zusätzliche Senkung der Stromsteuer auch für Haushalte verständigt. Erst wenn es neue finanzielle Spielräume gebe, könnten auch die Haushalte noch stärker entlastet werden, heißt es in dem Papier. Verwiesen wurde darauf, dass es etwa durch die Übernahme der Übertragungsnetzentgelte und der Gasspeicherumlage bereits zu einer Entlastung auch der Bürger komme.

Vizekanzler Klingbeil verwies darauf, dass es auch eine Einigung im Rentenbereich gegeben habe. "Wir haben außerdem erreicht, dass wir die Renten schon jetzt sichern. Das Kabinett wird über den ersten Teil unserer Rentenreform schon Anfang August entscheiden", teilte er mit. "Wir halten das Rentenniveau stabil. Außerdem stärken wir die Betriebsrenten. Das ist eine gute Nachricht für Millionen Rentnerinnen und Rentner, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben."

(Bericht von Andreas Rinke und Rene Wagner; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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