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Insider: Kanzler stellt am 16. Dezember Vertrauensfrage
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Unions- und SPD-Spitzen schlagen Bundespräsident Wahltermin vor
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CDU will nur noch wenige Gesetze mit abstimmen
(neu: Haßelmann, Lindner, mehr Hintergrund und Details)
- von Andreas Rinke -
Berlin, 12. Nov (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz wird sich nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Koalitionskreisen am 16. Dezember der Vertrauensabstimmung im Bundestag stellen. Verliert Scholz wie erwartet die Abstimmung, wäre der Weg frei, dass am 23. Februar eine vorgezogene Bundestagswahl stattfinden kann. Diesen Termin hatten die Spitzen von SPD und Union Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier laut Insidern vorgeschlagen. Auch FDP und Grüne tragen diesen Termin mit. "Ich denke, mit diesem Datum herrscht nun Klarheit für Bürgerinnen und Bürger", sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann. FDP-Chef Christian Lindner bestätigte den 23. Februar auf einer Wirtschaftskonferenz der "Süddeutschen Zeitung".
Mit der Festlegung auf die Termine ist der Streit beendet, wie es in Deutschland nach dem Bruch der Ampel-Koalition weitergehen soll. Scholz hatte nach der Entlassung Lindners (FDP) zunächst eine Vertrauensabstimmung Mitte Januar und dann Neuwahlen bis spätestens Ende März vorgeschlagen.
Die Union wiederum wollte eine sofortige Vertrauensabstimmung und eine Neuwahl noch im Januar. Zum einen hatte Scholz aber am Sonntagabend seine Bereitschaft zu einer Vertrauensabstimmung noch in diesem Jahr erklärt. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) wiederum hatte am Montag gesagt, dass er den 16. oder 23. Februar als Kompromiss befürworten würde. Es wird nicht erwartet, dass der Bundespräsident Einwände gegen den 23. Februar einlegt. Steinmeier hatte in den vergangenen Tagen mit allen Beteiligten Gespräche geführt und einen geordneten Übergang eingefordert.
In den vergangenen Tagen hatte es eine heftige Debatte über die Termine gegeben. Dabei überlagerten sich praktische und parteipolitische Argumente. SPD und Grüne, die in Umfragen weiter hinter der Union liegen, hatten Interesse an einem eher späteren Termin für Neuwahlen. CDU und CSU, die derzeit auf Werte von zusammen über 30 Prozent in Umfragen kommen, wollten dagegen Neuwahlen so schnell wie möglich.
Daneben wiesen die Bundeswahlleiterin sowie etliche Landeswahlleiter auf praktische Probleme bei der Vorbereitung einer Neuwahl gerade über die Weihnachtsfeiertage hin und mahnten, dass die gesetzlichen Fristen unbedingt genutzt werden sollten. Dies bezieht sich etwa auf die Aufstellung der Kandidaten durch die Parteien, die Organisation der Briefwahl und die Suche nach Wahlhelfern.
Etliche Unionspolitiker warfen daraufhin der Bundeswahlleiterin vor, sich vom Kanzleramt instrumentalisieren zu lassen. Umgekehrt warnten SPD- und Grünen-Politiker, dass die Union demokratische Institutionen diskreditiere. Am Dienstag mäßigte sich der Ton beider Seiten.
Mit der Einigung über die Termine ist nun aus Sicht der SPD und der Grünen der Weg frei, dass man sich darüber unterhält, was mit den im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Projekten geschehen soll. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bremste die Erwartung, dass die Union der Minderheitsregierung aus SPD und Grünen noch helfen könnte, bestimmte Gesetzesvorhaben zu beschließen. "Warum sollen wir jetzt der Ampel, der Rest-Ampel, zu einer Mehrheit verhelfen?", sagte er im ZDF. "Wir als CDU zeigen jetzt, was wir besser machen wollen als die anderen, und deswegen sind wir nicht daran interessiert, jetzt irgendwelche Gesetze noch durchzubringen." Auch den Ausgleich der kalten Progression in der Einkommensteuer oder die Erhöhung des Kindergeldes könne man später rückwirkend entscheiden. Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei.
Linnemann und Frei machten allerdings Einschränkungen. Das gelte etwa für die Verlängerung von Auslandsmandaten der Bundeswehr. Es gebe auch keinen Dissens, die Rechte des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. "Aber alles andere muss die neue Regierung machen", mahnte Linnemann.
Frei sieht auch keine Notwendigkeit für neue Finanzierungsbeschlüsse für die Ukraine vor einer Neuwahl. Im Haushaltsentwurf für 2025 seien vier Milliarden Euro für bilaterale Militärhilfe vorgesehen. Da diese seines Wissens nach bereits weitgehend gebunden seien, könnten sie auch ausgegeben werden. "Ich gehe im Übrigen auch davon aus, dass wenn die Bundesregierung (...) vier Milliarden Euro für das ganze Jahr 2025 vorgesehen hat, dass das dann in jedem Fall für die ersten zwei Monate reichen wird", fügte er mit Blick auf die vorgesehene Neuwahl Anfang des Jahres hinzu. "Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass man jetzt sozusagen zu Zeiten einer Minderheitsregierung noch weitreichende Finanzierungsentscheidungen in diesem Bereich treffen müsste."
(Mitarbeit: Holger Hansen, Alexander Ratz und Christian Götz; redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)