Helsinki/Stockholm, 27. Dez (Reuters) -
Nach der jüngsten Beschädigung eines Ostsee-Stromkabels will die Nato ihre Militärpräsenz in dem Seegebiet verstärken. Das kündigte Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Freitag auf der Online-Plattform X an. Finnland und Estland vermuten, dass es sich bei dem Schaden um Sabotage handelt, und forderten gegenüber Rutte einen stärkeren Nato-Schutz von Ostsee-Kabeln. Rutte teilte mit, er habe mit Finnlands Präsident Alexander Stubb die jüngsten Ermittlungen erörtert und unterstütze die Untersuchungen. Stubb erklärte, man sei sich mit Estland einig, dass eine verstärkte Marine-Präsenz der Nato in der Region nötig sei, insbesondere in Nähe wichtiger Infrastruktur.
Estland startete unterdessen einen Marineeinsatz zum Schutz eines parallel nach Finnland verlaufenden Unterwasserkabels. "Wenn es eine Bedrohung für die kritische Unterwasserinfrastruktur in unserer Region gibt, wird es auch eine Reaktion geben", erklärte der estnische Außenminister Margus Tsahkna am Freitag ebenfalls auf X. Die Schäden an Unterwassereinrichtungen in der Region sind mittlerweile so häufig, dass es schwerfällt, diese nur auf Unfälle oder Fehler der Besatzungen zurückzuführen, sagte Tsahkna. Der estnische Rundfunksender ERR berichtete, dass das baltische Land nach dem Schaden an der Leitung Estlink 2 ein Patrouillenschiff in die Gewässer entsandt habe, in denen die Parallelleitung Estlink 1 verlaufe.
Finnische Ermittler hatten am Donnerstag einen mit russischem Öl beladenen Frachter aufgebracht, der in Verdacht steht, für den Ausfall von Estlink 2 verantwortlich zu sein und auch vier Ostsee-Datenkabel beschädigt zu haben. Das auf den südpazifischen Cookinseln registrierte Schiff soll nach Einschätzung finnischer Zollbehörden zur russischen Schattenflotte gehören, mit deren Hilfe die die Führung in Moskau westliche Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg umgehen will.
Nach Vermutungen der finnischen Ermittler könnte der Tanker "Eagle S" den Schaden verursacht haben, indem er seinen Anker über den Meeresboden schleifte. Präsident Stubb erklärte, wäre das Schiff nicht gestoppt worden, wäre noch mehr Schaden entstanden. Die Maßnahmen der Nato und der EU gegen die russische Schattenflotte müssten verstärkt werden. Wenn klar zu beweisen sei, dass der Vorfall Sabotage war und ein staatlicher Akteur dahinter stecke, werde Finnland dies klar und unverzüglich benennen.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wollte sich nicht dazu äußern. Die Angelegenheit falle wohl kaum in den Zuständigkeitsbereich des russischen Präsidialamts, sagte er am Freitag. Die Leitung Estlink 2 mit einer Leistung von 658 Megawatt war am Mittwochmittag ausgefallen. Die Reparatur könnte Monate dauern. Damit ist nur noch Estlink 1 mit 358 MW zwischen Estland und Finnland in Betrieb. In den Ostsee-Anrainerstaaten herrscht höchste Alarmbereitschaft wegen möglicher Sabotageakte, nachdem es seit 2022 mehrfach zu Ausfällen von Stromkabeln und Telekommunikationsverbindungen gekommen ist. Viele Experten halten Russland für einen möglichen Drahtzieher.
(Bericht von Anna Ringstrom, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)