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16.10.2024 /16:17:39
FOKUS 1-Finanzministerium: Regierung hatte 2024 mehrmals Kontakt mit Unicredit

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Allerdings keine Kontakte von Scholz oder Lindner



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Stattdessen vor allem über Staatssekretäre Kukies und Toncar



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Telefonat am 10. September, als Bund einen Coba-Anteil verkaufte



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Union: Bundesregierung hat Chaos bei Commerzbank verursacht





(neu: weitere Angaben des Finanzministeriums)
- von John O'Donnell und Christian Krämer
Berlin/Frankfurt, 16. Okt (Reuters) - Die
Bundesregierung hatte in den Monaten vor dem Verkauf eines
Commerzbank <CBKG.DE>-Aktienpakets an Unicredit mehrmals
Kontakt mit dem italienischen Geldhaus. Das geht aus einem
Schreiben des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums an den
CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer hervor, das der
Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Demnach hatten
allerdings weder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch
Finanzminister Christian Lindner (FDP) Kontakt zur Unicredit.
Auffällig ist unter anderem ein Telefonat am Abend des 10.
September 2024 von Finanz-Staatssekretär Florian Toncar mit der
Deutschland-Chefin der Unicredit, Marion Höllinger. Laut
Ministeriumskreisen informierte die Managerin Toncar dabei über
die bestehende Beteiligung der UniCredit an der Commerzbank.

Wenige Stunden später verkaufte der Bund ein Paket von 4,5 Prozent an die Unicredit, weil diese nach Darstellung der Regierung das höchste Angebot in einer Auktion abgegeben hatte. Unicredit sicherte sich so zusammen mit weiteren Aktien überraschend schnell eine Beteiligung von neun Prozent. Die Unicredit wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Der Übernahmeversuch soll die zersplitterte Bankenbranche in Europa ein Stück weit über Ländergrenzen hinweg zusammenbringen. Das Vorhaben stößt in Berlin auf Skepsis, vor allem wegen des Vorgehens der Unicredit, das die Regierung auf dem falschen Fuß erwischte.

"SEHR KURZES TELEFONAT"

In Kreisen des Finanzministeriums hieß es, bei Start der Auktion am 10. September sei dem Ministerium nicht bekannt gewesen, dass Unicredit über weitere Anteile der Commerzbank verfüge. Erst nach 20 Uhr sei Toncar mitgeteilt worden, dass Unicredit neun Prozent an der Commerzbank kontrolliere. Zu diesem Zeitpunkt hatte Unicredit laut Finanzministerium in der Auktion bereits das höchste Angebot abgegeben und stand somit vor dem Zuschlag für den 4,5-prozentigen Anteil des Bundes, der an dem Tag zum Verkauf stand. Mittlerweile kontrollieren die Mailänder über Finanzinstrumente einen Anteil von 21 Prozent.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte, Toncar habe sich im Finanzausschuss des Bundestages ausführlich geäußert. Das Telefonat am 10. September sei sehr kurz gewesen. Weitere Gespräche mit anderen Investoren zur Auktion habe es nicht gegeben. Toncar hatte bereits am 4. September 2024 mit Höllinger telefoniert - kurz nachdem die Absicht des Bundes bekannt wurde, einen Teil der Beteiligung an der Commerzbank abstoßen zu wollen. Diese geht noch auf die Rettung in der weltweiten Finanzkrise zurück. Höllinger sei wie andere Anfrager auch an die Finanzagentur verwiesen worden, hatte es in Regierungskreisen geheißen.

"REGER AUSTAUSCH"

CDU-Finanzpolitiker Hauer sagte Reuters, es habe einen "regen Austausch" zwischen Bundesregierung und Unicredit gegeben. "Dass die Bundesregierung die Commerzbank trotz jahrelanger Vorbereitungen des Verkaufs der Bundesanteile und im Wissen über ein Interesse der Unicredit leichtfertig einer möglichen feindlichen Übernahme ausgeliefert hat, wirft viele weitere Fragen auf und kein gutes Licht auf das Agieren der Bundesregierung." Das Chaos bei der Commerzbank habe die Regierung verursacht. "Die Commerzbank war mit ihrer Strategie bislang auf einem guten Weg, bis die Bundesregierung einen Verkaufsprozess gestartet hat, der ihr völlig entglitten ist." Es müsse aufgeklärt werden, warum beim Verkauf der Commerzbank-Aktien des Bundes mit UniCredit nur ein einziger strategischer Investor zum Zug gekommen sei, obwohl eine breite Streuung das Ziel des Verkaufs gewesen sei.

Jörg Kukies, früherer Investmentbanker und jetzt Staatssekretär im Kanzleramt, traf dem dreiseitigen Schreiben des Finanzministeriums mit Datum vom Dienstag dieser Woche zufolge Mitte Mai am Rande einer Konferenz in Paris den Unicredit-Verwaltungsratspräsidenten Pier Carlo Padoan. Ende Juni traf Kukies bei einer anderen Veranstaltung auch Unicredit-Chef Andrea Orcel. Ein bilaterales Gespräch zwischen beiden gab es dabei nach Angaben des Finanzministeriums jedoch nicht. Kontakte gab es auch vom Kanzleramt und Auswärtigen Amt zum Unicredit-Chefvolkswirt Erik Nielsen. Höllinger ist zudem seit Januar 2024 Mitglied im Verwaltungsrat der staatlichen Förderbank KfW, dem mehrere Vertreter der Bundesregierung angehören.

(Bericht von John O'Donnell und Christian Krämer, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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