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Serie von Anschlägen durchkreuzt Wahlkampfstrategien |
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Union will hart gegen illegale Migration vorgehen |
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SPD und Grüne verweisen auf Erfolge der Ampel-Koalition |
- von Alexander Ratz |
Berlin, 19. Feb (Reuters) - Die Diskussion über eine |
Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik lässt die |
Wahlkämpfer in Deutschland nicht los. Die jüngste Serie von |
Anschlägen hat Themen wie die Ankurbelung der Wirtschaft, die |
Rente oder den Klimaschutz in den Hintergrund rücken lassen. Der |
in Teilen rechtsextremen AfD spielt das in die Hände. |
Die Parteien der politischen Mitte und der Ränder kommunizieren seit Wochen, wie sie schärfer gegen Menschen, die illegal nach Deutschland kommen, vorgehen wollen. Die Pläne von Union und FDP gehen dabei nicht so weit wie von AfD und BSW sind aber härter als die von Grünen und SPD.
Die in den Umfragen führenden Unionsparteien CDU/CSU haben das Erbe von Ex-Kanzlerin Angela Merkel abgeschüttelt - sie fordern in ihrem Wahlprogramm eine Wende in der Asylpolitik. Nach dem Messeranschlag von Aschaffenburg ließ sich Kanzlerkandidat Friedrich Merz sogar dazu hinreißen, einen Entschließungsantrag für einen härteren Kurs im Umgang mit Migranten mit Stimmen der AfD im Bundestag zu verabschieden. Geschadet hat ihm das in der Wählergunst trotz lautstarker Proteste von SPD, Grünen und Linkspartei offenbar nicht.
Dem Unions-Wahlprogramm zufolge sollen Geflüchtete an den deutschen Staatsgrenzen zurückgewiesen werden, weil Asylverfahren bereits in anderen EU-Staaten hätten beginnen müssen. Das Recht auf Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten soll enden und das europäische Asylrecht geändert werden. "Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden, dort sein Verfahren durchlaufen und dort bei Bedarf Schutz finden", heißt es im Wahlprogramm. Menschen ohne Bleiberecht sollen konsequent abgeschoben, das von der Ampel verabschiedete Staatsbürgerschaftsrecht soll wieder geändert werden.
Die FDP hatte sich schon zu Ampel-Zeiten gegen die Partner von SPD und Grünen gestellt und sich gegenüber dem härteren Kurs der Union offen gezeigt. Im Wahlprogramm sind die Liberalen milder: Die FDP wolle "Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme", heißt es da. Aber: "Wer ohne Bleiberecht hier ist, der muss unverzüglich in seine Heimat zurückkehren." Dies würde etwa Personen betreffen, die hierzulande nur geduldet sind. Deutschlands humanitäre Verantwortung müsse sich nach den realen Möglichkeiten ausrichten. Abschiebungen sollten auf Bundesebene zentralisiert werden und nicht mehr in der Verantwortung der Länder liegen.
Für die Sozialdemokraten war das Thema auf der Agenda eigentlich schon weit nach unten gerutscht - bis zu der Serie von Anschlägen. In der SPD sind viele der Ansicht, in der Ampel-Koalition bereits die richtigen Weichen gestellt zu haben. In der Tat hat die Regierung einiges getan, unter anderem hat sie Kontrollen an allen deutschen Grenzen eingeführt.
"Mit den Grenzkontrollen drängen wir die irreguläre Migration wirksam zurück, das belegen die Zahlen: 47.000 Zurückweisungen an den Grenzen, ein Drittel weniger Asylgesuche von 2023 auf 2024 und Festnahme von 1900 Schleusern", hatte Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst betont. Grenzkontrollen sollen bis Mitte September verlängert werden. Zudem wurden nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Menschen abgeschoben als 2023. Schließlich steht die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) an, das ein strengeres Vorgehen an den EU-Außengrenzen vorsieht.
Gleichwohl scheint klar, dass das Thema Migration auf der Agenda bleiben wird. Daher heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokraten: "Die Zuwanderung nach Deutschland aus Asyl- und Fluchtgründen stellt uns weiter vor große Herausforderungen." Und weiter: "Wer sich nicht an die Regeln hält, muss wieder gehen. Doch wer auf Schutz angewiesen ist, dem gewähren wir Schutz." Zudem spricht sich die SPD dafür aus, dass Asylbewerber in Deutschland arbeiten dürfen, um den Fachkräftemangel zu verringern.
Die Grünen bleiben ihrem Kurs treu, halten die von der Ampel beschlossenen Verschärfungen dabei für notwendig. "Deutschland ist und bleibt ein Einwanderungsland", heißt es im Wahlprogramm. Es könne aber nicht jeder Flüchtling auf Dauer bleiben. "Wer nach individueller Prüfung auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht hat und bei dem keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen, muss zügig wieder ausreisen. Die freiwillige Rückkehr hat für uns Vorrang." Dauerhafte Kontrollen an den deutschen Grenzen lehnt die Partei ab.
Im krassen Gegensatz dazu stehen die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die sich in ihren Positionen zu Asyl und Migration kaum unterscheiden. Beide Parteien wollen einen weiteren Zuzug weitgehend unterbinden, nicht aufenthaltsberechtigte Menschen in Deutschland schnellstmöglich abschieben und die Leistungen für Asylbewerber drastisch kürzen. Wagenknechts Bündnis hat allerdings nicht das "völkische" Element, das die AfD demonstrativ hochhält. Der rechtsgerichteten Partei geht es darum, die "kulturelle Identität" Deutschlands zu wahren. Beide Parteien wollen letztlich elementare Grundrechte aushebeln, wovor CDU/CSU im Unterschied zurückschrecken.
(Bericht von Alexander Ratz Redigiert von Kirsti Knolle Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)