Washington, 16. Jan (Reuters) - US-Präsident Joe Biden hat die Amerikaner in seiner Abschiedsrede dazu aufgerufen, für die Seele der Demokratie zu kämpfen. In seiner letzten Rede aus dem Oval Office sprach der scheidende Präsident am Mittwoch von einer "gefährlichen Machtkonzentration", die sich in den USA herausbilde. "Heute zeichnet sich in Amerika eine Oligarchie von extremem Reichtum, Macht und Einfluss ab, die unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte und -freiheiten und die faire Chance für alle, voranzukommen, wirklich bedroht", sagte Biden. Obwohl er keinen Namen nannte, liegt der Vergleich mit dem Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk nahe, der auch einflussreicher Berater des neuen Präsidenten Donald Trump ist. Der scheidende Präsident betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der amerikanischen Verfassung. "Unser System der Gewaltenteilung und gegenseitigen Kontrolle mag nicht perfekt sein, aber es hat unsere Demokratie fast 250 Jahre lang aufrechterhalten - länger als jede andere Nation in der Geschichte, die jemals ein solch kühnes Experiment gewagt hat."
In seiner 15-minütigen Rede zog Biden Parallelen zur Abschiedsrede von Präsident Dwight Eisenhower im Jahr 1961, der vor den Gefahren eines wachsenden Einflusses des "militärisch-industriellen Komplexes" gewarnt hatte. "Sechs Jahrzehnte später bin ich ebenso besorgt über den möglichen Aufstieg eines technologisch-industriellen Komplexes", sagte Biden. "Er könnte eine echte Gefahr für unser Land darstellen."
Der Demokrat warnte zudem vor einer "Lawine von Fehl- und Desinformation" in den sozialen Medien, die "Machtmissbrauch ermöglicht". Die freie Presse sei am Zerfallen, Stützpfeiler würden verschwinden. "Soziale Medien geben den Überprüfung von Fakten auf", sagte Biden und bezog sich damit auf aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft wie die Entscheidung von Meta Platforms, sein US Faktenprüfprogramm einzustellen. Auch X, ehemals Twitter, hat nach der Übernahme durch Musk die Moderation von Inhalten auf seiner Plattform eingeschränkt.
Der 82-jährige blickt auf ein halbes Jahrhundert Amtszeit zurück, die von der Bekämpfung der Corona-Pandemie, der wirtschaftlichen Erholung und dem Ausbau der Infrastruktur geprägt war. Biden hinterlässt eine florierende US-Wirtschaft, konnte aber die Spaltung des Landes nicht wie erhofft überwinden. Sein größter politischer Erfolg - der Sieg über Trump 2020 - erwies sich als vorübergehend. Nun kehrt der Republikaner mit dem Versprechen an die Macht zurück, vieles von dem rückgängig zu machen, was Bidens Regierung erreicht hat.
(Bericht von Jeff Mason, Andrea Shalal, Steve Holland und Kanishka Singh. geschrieben von Katharina Loesche. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)