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07.10.2024 /10:12:36
Kasachen stimmen für Bau eines ersten Atomkraftwerks

Ulken, 07. Okt (Reuters) - Bei einem Referendum in Kasachstan hat das Regierungsvorhaben zum Bau eines ersten Atomkraftwerks in dem zentralasiatischen Staat eine deutliche Mehrheit erhalten. 71,12 Prozent der Wähler stimmten dafür, wie die staatliche Wahlkommission am Montag mitteilte. Die Regierung von Präsident Kassym-Schomart Tokajew will mit dem Projekt die Stromversorgung sichern und klimaschädliche Kohlekraftwerke schrittweise abschaffen. Auf der anderen Seite gibt es Widerstand gegen das Projekt, denn die ehemalige Sowjetrepublik hat ihre eigenen Erfahrungen mit Atomkraft. So halfen Zehntausende Kasachen 1986 bei den Aufräumarbeiten nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl und trugen lebenslange Gesundheitsprobleme davon. Zudem war das Land Schauplatz Hunderter sowjetischer Atomwaffentests, die große Landstriche unbewohnbar machten und bei vielen ein Misstrauen gegenüber jeglicher Nukleartechnik schürten.

Trotz bedeutender Erdgasreserven basiert die Stromversorgung Kasachstans hauptsächlich auf Kohlekraftwerken, ergänzt durch einige Wasserkraftwerke und den wachsenden Sektor erneuerbarer Energien. Zudem importiert das Land Strom, hauptsächlich aus Russland, da seine oft alten Anlagen Schwierigkeiten haben, die Nachfrage zu decken. Die Regierung betont, eine zuverlässige Energieversorgung sei notwendig, um erneuerbare Quellen wie Solar- und Windenergie zu ergänzen. Da Kasachstan einer der weltgrößten Uranproduzenten ist, sei Kernenergie eine logische Wahl. "Um beim globalen Fortschritt nicht an der Seitenlinie zu stehen, müssen wir unsere Wettbewerbsvorteile nutzen", sagte Tokajew vor der Abstimmung. Kasachstan reichert jedoch Uran nicht so weit an, dass es als Brennstoff verwendet werden kann.

Als möglicher Partner für den Bau des Atomkraftwerks gilt der russische Konzern Rosatom. Bei seiner Stimmabgabe in der Hauptstadt Astana am Sonntag sagte Tokajew allerdings, er habe kein bestimmtes Land oder Unternehmen als möglichen Auftragnehmer im Sinn. "Meine persönliche Vision in dieser Angelegenheit ist, dass es ein internationales Konsortium geben müsste, bestehend aus globalen Unternehmen, die über die fortschrittlichsten Technologien verfügen." Als Gegengewicht zu Russland setzt Kasachstan auch auf engere Beziehungen zu Europa. Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte September in Astana brachte sich Kasachstan als Lieferant etwa für Seltene Erden und Öl ins Spiel.

Errichtet werden soll das Atomkraftwerk für geschätzte zehn bis zwölf Milliarden Dollar in der Ortschaft Ulken am Ufer des Balkaschsees. Einige Einheimische hoffen auf neue Arbeitsplätze, während sich andere um die Wasserqualität des Sees sorgen. "Ich unterstütze das Kraftwerk", sagt Dametken Schulgejewa, die seit mehr als 20 Jahren in dem Dorf mit 1200 Einwohnern lebt. "Das ist unsere Zukunft."

(Bericht von Mariya Gordeyeva and Olzhas Auyezov, geschrieben von Sabine Wollrab und Christian Götz, redigiert von . Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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