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03.01.2025 /17:43:26
FOKUS 3-Baerbock stellt Syrien Hilfe in Aussicht - Aber nicht für Islamismus

(neu: Baerbock Äußerungen nach Gesprächen)

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Machthaber Al-Scharaa verweigert Baerbock Handschlag



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Baerbock: Flüchtlinge kehren nur bei Sicherheit zurück



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Baerbock mit französischem Kollege Barrot in Syrien



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Erster Besuch von EU-Ministern seit Machtwechsel in Damaskus



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Baerbock: Kommen mit ausgestreckter Hand, aber auch Erwartungen





Damakskus/Berlin/Paris, 03. Jan (Reuters) -
B undesaußenministerin Annalena Baerbock hat den neuen syrischen
Machthabern Zusammenarbeit und Hilfe unter Bedingungen
angeboten. "Europa wird unterstützen, aber Europa würde nicht
Geldgeber neuer islamistischer Strukturen sein", sagte die
Grünen-Politikerin am Freitag in Damaskus nach Gesprächen mit
der Übergangsregierung. "Es braucht jetzt einen politischen
Dialog unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen
Gruppen, unter Einbeziehung aller Menschen, das heißt
insbesondere auch der Frauen in diesem Land". Sie habe den
Eindruck gehabt, ihre Gesprächspartner hätten dies verstanden.
Es sei klar, dass Menschen aus Europa nur zum Wiederaufbau
zurückgehen würden, wenn sie vollkommen sicher seien. In
Deutschland leben fast eine Million Syrer, die im Zuge des
Bürgerkriegs ihr Land verlassen haben.

Baerbock war mit ihrem französischen Kollegen Jean-Noel Barrot im Auftrag der EU nach Syrien gereist. Die Minister sprachen unter anderem mit De-facto-Machthaber Ahmed al-Scharaa von der islamistischen HTS-Miliz, die noch auf der Terrorliste unter anderem der EU steht. Fernsehbilder zeigen, wie er Barrot die Hand gibt, aber nicht die von Baerbock ergreift. Nach dem Treffen sagte Baerbock, sowohl Barrot als auch sie hätten sehr deutlich gemacht, dass Frauenrechte ein Gradmesser für die Freiheit der Gesellschaft seien. Knapp einen Monat nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad waren Baerbock und Barrot die ersten EU-Minister, die Syrien nach dem Machtwechsel besuchen.

Baerbock betonte, dass die syrischen Landesgrenzen nicht angetastet werden dürften. "Syrien darf weder erneut zum Spielball fremder Mächte noch zum Experiment radikaler Kräfte wie des IS werden", sagte sie. "Es gibt berechtigen Grund dazu, dass die Menschen neue Hoffnung schöpfen. Aber es gibt ebenso guten Grund dazu, Vorsicht walten zu lassen."

Verschiedene Staaten, unter anderem das Nachbarland Türkei, ist mit Truppen im Land vertreten. Die Türkei will vor allem ein Erstarken der Kurden im Grenzgebiet verhindern. Baerbock wiederum betonte, die Kurden müssten in Syrien angemessen repräsentiert werden und sicher sein. Einmischungen von außen dürfe es bei dem innersyrischen Prozess nicht geben.

Kooperation hätten die neuen Machthaber bei der Zerstörung von Chemiewaffen signalisiert, die Assad auch gegen sein eigenes Volk eingesetzt hatte. Zudem hätten sie verstanden, dass alle Gruppen, auch die Kurden, in den Übergang eingebunden werden müssten. Syriens Außenminister Asaad Hassan Al-Schibani sicherte dies bei einem Besuch in Saudi-Arabien zu. Man wolle eine Regierung unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen bilden, erklärte er.

BAERBOCK BESUCHT FOLTERGEFÄNGNIS

Baerbock besuchte zunächst das berüchtigte Foltergefängnis Saidnaja in der Nähe von Damaskus. Sie würdigte dort die Arbeit der sogenannten Weißhelme, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die in nicht von Assad kontrollierten Gebieten humanitäre und medizinische Hilfe geleistet hatte. Die Verbrechen des Assad-Regimes müssten weiter aufgeklärt werden und dürften nicht ungesühnt bleiben. "Wir können alle als internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass es zu Gerechtigkeit kommt", sagte Baerbock. Beweise würden gesammelt. Sie wies aber auch daraufhin, dass auch der HTS-Miliz Verbrechen vorgeworfen würden.

NOCH UNKLARHEIT ÜBER POLITISCHE ZIELE DER NEUEN MACHTHABER

Am 8. Dezember hatten Aufständische unter der Führung der HTS nach einer nur wenige Tage dauernden Offensive die Kontrolle über Damaskus übernommen und die jahrzehntelange autokratische Herrschaft der Familie Assad beendet. Die in der Vergangenheit mit Al-Kaida und dem Islamischen Staat verbündete HTS demonstriert seitdem Mäßigung und den Willen, sämtliche Gruppen des Vielvölkerstaats Syrien zu respektieren.

Baerbock sagte, es sei Zeit für Russland, seine Militärstützpunkte in Syrien zu räumen. Es sei der russische Präsident Wladimir Putin gewesen, der Assad so lange gestützt habe, der die Verbrechen des Regimes gedeckt und unterstützt habe. "Das syrische Volk wird die massiven Bombardements und Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen." Russland stand jahrelang hinter Assad und hat militärisch zugunsten des Machthabers in dem insgesamt 13 Jahre währenden Bürgerkrieg eingegriffen. Assad ist nach Russland geflohen.

(Bericht von Miranda Murray und Christian Götz, Markus Wacket in Berlin, John Irish und Dominique Vidalon in Paris, Claudia Tanios in Duba, redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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