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29.09.2024 /11:40:18
FOKUS 1-Parlamentswahl in Österreich läuft - Rechtsruck erwartet

(neu: Hintergrund)

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FPÖ liegt in Umfragen knapp vor ÖVP, SPÖ auf Platz drei



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Regierungsbeteiligung der FPÖ auch bei Wahlsieg nicht sicher



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Erste Hochrechnung kurz nach 17.00 Uhr erwartet
 
Wien, 29. Sep (Reuters) - Österreich wählt einen neuen
Nationalrat. Erstmals könnte die rechtspopulistische FPÖ bei
einer Parlamentswahl stimmenstärkste Kraft werden. Umfragen
zufolge liegt die EU- und islamkritische Partei knapp vor der
konservativen ÖVP, die derzeit den Kanzler stellt. Beide
Parteien rechnen sich daher beim Urnengang an diesem Sonntag
Chancen aus zu gewinnen. Bisher wurde das Land von einem Bündnis
aus ÖVP und Grünen geführt. Den Konservativen drohen hohe
Verluste im Vergleich zu 2019. Damals erreichte die ÖVP unter
Ex-Kanzler Sebastian Kurz 37,5 Prozent der Stimmen. Sollte die
FPÖ gewinnen, braucht sie einen Regierungspartner. In Frage
kommt dafür nur die ÖVP, da alle anderen Parteien eine Koalition
mit der FPÖ ausgeschlossen haben.

Die FPÖ, die in ihrem Wahlprogramm unter dem Titel "Festung Österreich" einen Asylstopp fordert, lag in Umfragen lange Zeit klar in Führung. Bei der EU-Wahl im Juni ging sie erstmals bei einer bundesweiten Wahl knapp als Sieger hervor. Auch in anderen EU-Ländern, wie den Niederlanden, Frankreich oder Deutschland legen rechte Parteien derzeit zu. Wenige Tage vor der Wahl in Österreich schmolz jedoch der Vorsprung der Rechtspopulisten. In der letzten Sonntagsfrage lag die FPÖ mit 27 Prozent nur zwei Prozentpunkte vor der ÖVP. Politologen zufolge dürfte das jüngste Hochwasser in weiten Teilen des Landes die Stimmung im Land etwas beeinflusst haben. Der amtierende Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe sich gut als Krisenmanager positionieren können, während die FPÖ, die den menschengemachten Klimawandel bezweifelt, weniger punkten konnte.

Die sozialdemokratische SPÖ will ebenfalls um das Kanzleramt mitkämpfen, sie liegt in den Umfragen aber mehrere Prozentpunkte hinter der ÖVP. Die Grünen und die liberalen Neos kommen laut Umfrage auf jeweils neun Prozent der Stimmen.

Bei einem Wahlsieg ist der FPÖ das Kanzleramt nicht sicher. Offen ist, ob Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragen würde. Gemäß österreichischer Verfassung hat das Staatsoberhaupt hier freie Hand. Van der Bellen äußerte bereits Vorbehalte gegen eine "anti-europäische" sowie Russland-freundliche Partei. Traditionell erhielt bisher immer die stimmenstärkste Partei den Auftrag.

Eine geschlossene "Brandmauer" gegen die FPÖ gibt es zwar nicht, aber fast alle Parteien schließen ein Bündnis mit ihr aus. Einzig die ÖVP kann sich eine Koalition vorstellen. In den Programmen gibt es zahlreiche Überschneidungen, etwa beim Thema Migration sowie in der Wirtschafts- und Klimapolitik. Allerdings lehnt der derzeitige Kanzler Nehammer eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Kickl kategorisch ab. Dieser habe sich radikalisiert und in Verschwörungstheorien verfangen, sagte Nehammer.

Dass die ÖVP - die seit 37 Jahren mitregiert - auch der nächsten Regierung angehören wird, gilt als so gut wie sicher. Als Alternative zu einer ÖVP/FPÖ-Koalition zählt ein Dreierbündnis aus ÖVP, SPÖ und einer kleineren Partei wie den Neos. Eine Regierung aus drei Parteien wäre eine Premiere in Österreich. Möglich ist auch eine Minderheitsregierung. Diese wird aber in der Regel erst in Erwägung gezogen, wenn die Bildung einer Koalitionsregierung scheitert.

Seit 6.00 Uhr haben die ersten Wahllokale geöffnet. Rund 6,3 Millionen Österreicher sind zur Wahl aufgerufen. Sie können bundesweit unter neun Parteien wählen. Die erste Hochrechnung wird kurz nach der Schließung der letzten Wahllokale um 17.00 Uhr erwartet. Sie wird auch Briefwahlstimmen beinhalten und etwa eine Schwankungsbreite von zwei Prozentpunkten aufweisen.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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