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17.09.2024 /08:36:15
HINTERGRUND-Kandidat Merz - Warum die K-Frage in der Union geklärt ist

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NRW-CDU stellt mit Votum für Merz entscheidende Weiche



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Wüst mahnt CSU zu Geschlossenheit



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Söder dürfte bei Vorstoß dagegen wenig Unterstützung bekommen



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Aber Union wird wohl dennoch nicht zur Ruhe kommen
 
- von Andreas Rinke
Berlin, 17. Sep (Reuters) - Monatelang hatten CDU-Chef
Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder betont, dass
sie eine gemeinsame Entscheidung über die
Unions-Kanzlerkandidatur treffen würden. Gegenseitige
Treueschwüre gab es sogar noch, als Bayerns Ministerpräsident in
den vergangenen Tagen erstmals offen sagte, dass er doch als
Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 bereitstünde. Nun
aber hat die CDU innerhalb von drei Tagen die Entscheidung in
einem fintenreichen Alleingang getroffen: Weil sich der Vorstand
der nordrhein-westfälischen CDU samt Ministerpräsident Hendrik
Wüst für Merz aussprachen, dürfte diesem die Kandidatur nicht
mehr zu nehmen sein - egal wie Söder reagieren sollte.

In der Union heißt es, dass die CSU die schnelle Vorentscheidung selbst forciert habe. Denn obwohl man sich einig war, dass man die Entscheidung um die ostdeutschen Landtagswahlen im "Spätsommer", also im September, treffen würde, brachte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt plötzlich den Oktober ins Spiel. Das sorgte für Irritationen. Zugleich traf Söder weitreichende Aussagen über die nächste Bundesregierung: Er werde als CSU-Chef ein Bündnis mit den Grünen auf jeden Fall verhindern, kündigte der Vorsitzende der kleinen Schwesterpartei in der Union an. Merz hatte dagegen zwar immer wieder die inhaltlichen Differenzen mit den Grünen betont, aber ausdrücklich keine Koalition ausgeschlossen.

"Die Sorge war, dass Söder immer weitere Festlegungen treffen wird", sagt ein CDU-Politiker zu Reuters. Sobald die K-Frage geklärt ist, so das Kalkül, muss sich der bayerische Ministerpräsident stärker einordnen. Also kamen seit Samstag führende CDU-Politiker wie der aus Baden-Württemberg stammende Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein aus der Deckung, pochten auf eine Entscheidung nach der Brandenburg-Wahl am 22. September und betonten, dass Merz sehr gute Chancen habe.

Aber die Entscheidung fiel am Montagabend mit der Festlegung der NRW-CDU - dem mit Abstand größten CDU-Landesverband. "Friedrich Merz kann sich auf die Unterstützung seines Heimatverbandes verlassen", kündigte Ministerpräsident Wüst an, der eigene Ambitionen zugunsten des Parteichefs zurückstellte. Offiziell fügte Wüst hinzu, dass man nun mit der CSU "auf Augenhöhe" eine Entscheidung treffen werde - die die große Schwesterpartei aber de facto längst getroffen hat.

Und Wüst schickte eine freundlich verkleidete Warnung hinterher: "Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die CSU Friedrich Merz als gemeinsamen und starken Kandidaten unterstützt." Geschlossenheit zwischen den Unionsschwestern würde "unsere gemeinsamen Wahlchancen enorm erhöhen". Im Klartext: Söder soll sein Vorgehen von 2021 nicht wiederholen. Damals hatte er seine Niederlage im Kampf um die Unions-Kanzlerkandidatur gegen Armin Laschet nicht verwunden und war aus Sicht vieler CDU-Politiker mit seinen Sticheleien gegen Laschet sogar noch bei den Sondierungen mit Grünen und FDP nach der Wahl mitverantwortlich, dass kein Jamaika-Bündnis zustande kam. "Das haben ihm viele in der CDU nicht vergessen. Er würde nie die Unterstützung des CDU-Bundesvorstands bekommen", sagt ein führender Christdemokrat zu Reuters.

Gegen Söder spricht auch, dass er anders als 2021 diesmal nicht auf Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion rechnen kann. Damals hatte Laschet Mühe, die Unterstützung der mächtigen Fraktion zu bekommen, weil viele Söder unterstützten. "Heute sprechen sich hinter den Kulissen aber auch viele Mitglieder der CSU-Landesgruppe dagegen aus, dass es Söder wird", sagt ein Mitglied der Fraktionsführung. In anderen Worten: Sollte der CSU-Chef jetzt doch noch einen Aufstand wagen, dürfte die Unterstützung begrenzt sein.

Was nicht heißt, dass die Union nach der Krönung des Kanzlerkandidaten zur Ruhe kommt. Zum einen fürchten selbst Unionspolitiker, dass Söder nicht ein Jahr bis zur Bundestagswahl stillhalten kann und sich nicht als "Reserve-Kanzlerkandidat" präsentiert. Immerhin kann der bayerische Ministerpräsident darauf verweisen, dass er in Umfragen bessere Zustimmungswerte als Merz hat. Schon 2021 hatte sich Söder nach seiner Niederlage gegen Laschet als "Kanzlerkandidat der Herzen" bezeichnet. Zum anderen steht gerade der CDU-Chef vor der schwierigen Aufgabe, seine Partei in Ost und West zusammenzuhalten. Die heikle Gemengelage für die Regierungsbildungen nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat dies bereits gezeigt. Auch wenn die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD bis auf wenige ostdeutsche Landtagsabgeordnete unumstritten ist: Ein mögliches Bündnis mit der Wagenknecht-Partei BSW im Osten hat bereits jetzt vehemente Abwehrreaktionen gerade in Westdeutschland ausgelöst.

(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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