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29.09.2024 /17:42:34
TOP-THEMA-Österreichs Rechtspopulisten bei Parlamentswahl klar in Führung

(neu: Details der ersten Hochrechnung, Hintergrund)

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FPÖ mit 29,1 Prozent der Stimmen klar in Führung



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ÖVP verliert auf 26,2 Prozent, SPÖ auf 20,4 Prozent



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Grüne und liberale Neos bleiben jeweils unter neun Prozent



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FPÖ könnte erstmals in Kanzerlamt einziehen



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Bis auf ÖVP lehnen alle Parteien eine Koalition mit der FPÖ ab





Wien, 29. Sep (Reuters) - Österreichs
rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ) ist bei der
Nationalratswahl erstmals zur stärksten Kraft geworden. Die EU-
und islamkritische Partei kann kräftig zulegen und kommt auf
29,1 Prozent der Stimmen nach 16,2 Prozent 2019, ergab die vom
Institut Foresight am Sonntag veröffentlichte erste Hochrechnung
für die Nachrichtenagentur APA und den ORF. Die konservative
Volkspartei (ÖVP), die derzeit den Kanzler stellt, verliert
etwas weniger als ein Drittel der Wählerstimmen und kommt auf
26,2 Prozent. Abgeschlagen auf Platz drei liegt die
sozialdemokratische SPÖ mit 20,4 Prozent. Die Grünen, derzeit
Juniorpartner in einer Koalition mit der ÖVP, kommen auf 8,8
Prozent. Die derzeitige Regierung verliert damit klar ihre
Mehrheit. Die liberalen Neos erreichen 8,6 Prozent.

Sollte sich der Wahlsieg für die FPÖ bestätigen - die Hochrechnung hat eine Schwankungsbreite von zwei Prozent - rückt für sie erstmals das Kanzleramt in greifbare Nähe. Um regieren zu können, brauchen die "Blauen" jedoch einen Koalitionspartner. In Frage kommt dafür nur die ÖVP, alle anderen Parteien haben ein Bündnis mit der FPÖ ausgeschlossen.

Unklar ist auch, ob Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Parteichef Herbert Kickl überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragen würde. Gemäß österreichischer Verfassung hat das Staatsoberhaupt hier freie Hand. Van der Bellen äußerte jedoch bereits Vorbehalte gegen eine "anti-europäische" sowie Russland-freundliche Partei. Traditionell erhielt bisher immer die stimmenstärkste Partei den Auftrag.

Der Erfolg der FPÖ hat sich abgezeichnet. Die Partei führte lange Zeit die Umfragen deutlich an. Erst in den Tagen vor der Wahl hat sich der Vorsprung zur zweitplatzierten ÖVP verringert. Bei der EU-Wahl im Juni ging sie erstmals bei einer bundesweiten Wahl als Sieger hervor. Populär sind die Freiheitlichen bei ihren Wählern vor allem wegen ihrer scharfen Kritik an der Asylpolitik in Österreich und in Europa. In ihrem Wahlprogramm unter dem Titel "Festung Österreich" fordert die FPÖ etwa einen absoluten Asylstopp und ein Verbot des politischen Islams. Hinzu kommt, dass Österreichs Wirtschaft schwächelt und viele Menschen wegen der hohen Inflation, die über dem EU-Schnitt liegt, frustriert sind.

Mit ihrem Erfolg reiht sich die FPÖ zu anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa ein, die derzeit generell im Aufwind sind. In den Niederlanden wurde im Herbst 2023 die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders stärkste Kraft. In Italien regiert seit 2022 Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d'Italia. In Ungarn verfolgt Ministerpräsident Viktor Orban und seine Partei Fidesz schon seit vielen Jahren eine Anti-Migrationspolitik. In Deutschland kann die AfD in einigen Bundesländern stark zulegen und ist laut Umfragen zweitstärkste Kraft hinter der Union.

In Österreich gibt es - anders als in Deutschland gegen die AfD - keine sogenannte Brandmauer. Die FPÖ, die in den 50er Jahren von ehemaligen Mitgliedern der nationalsozialistischen NSDAP gegründet wurde, zählt bereits seit Jahrzehnten zur politischen Landschaft in Österreich. Die Partei sitzt in mehreren Landesregierungen und regierte auf Bundesebene mehrfach mit - zuletzt mit der ÖVP bis Mitte 2019.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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