Nachricht


27.09.2024 /10:20:49
FOKUS 1-Vom Außenseiter zum Parteichef - Ishiba soll Japans Regierung führen

*

Ex-Minister Ishiba zum Chef der Regierungspartei LDP gewählt



*

67-Jähriger setzt sich in Stichwahl durch

*

Ishiba gilt als Außenseiter, aber beliebt in Bevölkerung

*

Außenpolitisch durch China und Nordkorea gefordert
 
(Neu: Details, Hintergrund)
Tokio, 27. Sep (Reuters) - Der ehemalige japanische
Verteidigungsminister Shigeru Ishiba soll neuer
Ministerpräsident des Landes werden. Der 67-Jährige setzte sich
am Freitag bei der Wahl zum neuen Vorsitzenden der regierenden
Liberaldemokraten (LDP) durch. Damit sind die Weichen für eine
Übernahme des Postens an der Regierungsspitze gestellt. Denn die
LDP regiert Japan fast die gesamte Nachkriegszeit und verfügt
über eine klare Mehrheit im Parlament, das letztendlich den
neuen Ministerpräsidenten wählt. Zudem ist es in der LDP
Tradition, dass ihr Parteivorsitzender auch Regierungschef wird.
Ishiba folgt auf Fumio Kishida. Dieser hatte im August seinen
Rückzug angekündigt, nachdem die LDP nach einer Reihe von
Skandalen massiv an Popularität eingebüßt hatte.

Ishiba schaffte es im fünften Versuch - den er als seine "letzte Schlacht" bezeichnet hatte - an die Spitze der LDP. Er setzte sich in einer Stichwahl gegen die Hardlinerin Sanae Takaichi durch. Es war eine der unvorhersehbarsten Wahlen seit Jahrzehnten. Eine Rekordzahl von neun Kandidaten hatte sich beworben. "Wir müssen an die Menschen glauben, die Wahrheit mit Mut und Aufrichtigkeit sagen und zusammenarbeiten, um Japan zu einem sicheren Land zu machen, in dem jeder wieder mit einem Lächeln leben kann", sagte Ishiba sichtlich gerührt in einer kurzen Rede vor den Abgeordneten nach seiner Wahl.



LIEBER DREI BÜCHER AM TAG - STATT ZEIT MIT
PARTEIFREUNDEN
 
Ishiba gilt als Außenseiter. Er sagt von sich, dass er
drei Bücher am Tag lese und das lieber tue, als sich unter die
Kolleginnen und Kollegen der Regierungspartei zu mischen.
Während seiner Zeit außerhalb der Regierung blieb er durch
Medienauftritte, Social-Media-Posts und auf YouTube in der
Öffentlichkeit präsent. Er sinnierte über Themen wie Japans
sinkende Geburtenrate bis hin zu Ramen-Nudeln. Ishiba macht sich
auch über sich selbst lustig, etwa über sein manchmal
unbeholfenes Auftreten und seine Hobbys. Dazu gehören
Plastikmodelle von Schiffen und Militärflugzeugen, von denen er
einige in den Bücherregalen seines Parlamentsbüros in Tokio
ausstellt.
 
Im eigenen Land muss Ishiba den Unmut der Menschen über
die steigenden Lebenshaltungskosten angehen. Außenpolitisch muss
er durch ein instabiles Sicherheitsumfeld in Ostasien steuern -
wo er sich mit einem zunehmend selbstbewussten China und dem
atomar bewaffneten Nordkorea auseinandersetzen muss. Sein
diplomatischer Ansatz mit den USA als Japans engstem Verbündeten
wird im Mittelpunkt stehen. Denn Ishiba hat wiederholt zu einem
ausgewogeneren Verhältnis aufgerufen.
 
VERHÄLTNIS ZUM VERBÜNDETEN USA IM FOKUS
 
In seinem Wahlkampf forderte der designierte
Regierungschef auch die Schaffung einer asiatischen
Militärallianz nach dem Vorbild der Nato. Die Idee könnte den
Ärger der chinesischen Regierung auf sich ziehen. Von einem
hochrangigen US-Beamten wurde sie als übereilt abgetan. Der
US-Botschafter in Japan, Rahm Emanuel, gratulierte Ishiba und
erklärte, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit ihm zur
Stärkung der Allianz zwischen den USA und Japan.
 
Nach einer kurzen Karriere als Banker zog Ishiba 1986
ins Parlament ein, doch seine unverblümten Ansichten brachten
ihm in der LDP Feinde ein. Er wurde zwar vom scheidenden
Ministerpräsidenten Kishida an den Rand gedrängt und zu einer
abweichenden Stimme in der Partei. Dabei genoss er aber die
breite Unterstützung in der Öffentlichkeit und unter einfachen
Partei-Mitgliedern. Ishiba rebellierte gegen politische
Maßnahmen wie die verstärkte Nutzung von Atomenergie und
kritisierte seine Partei dafür, dass sie verheirateten Paaren
nicht erlaubt, getrennte Nachnamen zu verwenden. Seine Ansichten
und Streitigkeiten mit Kollegen trugen dazu bei, dass vier
frühere Anläufe auf den Parteivorsitz scheiterten.

(Bericht von Sakura Murakami, Satoshi Sugiyma, John Geddie und Tim Kelly, geschrieben von Klaus Lauer, redigiert von Christian RüttgerBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.