Frankfurt, 07. Nov (Reuters) - Bürokratische Hürden und hohe Energiepreise hemmen die Investitionsbereitschaft der Chemiebranche in Deutschland. Knapp drei Viertel der Unternehmen halten es derzeit für unwahrscheinlich, die Produktion hierzulande mit neuen Standorten auszubauen, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Chemieverbandes VCI und der Beratungsgesellschaft Boston Consulting unter 302 Chemie- und Pharmaunternehmen zeigt. Von diesen Firmen gehören 74 Prozent der Chemieindustrie an; gut die Hälfte der Befragten sind kleine und mittlere Unternehmen, ein Fünftel zählt zu den Großkonzernen. Bemängelt werden auch lange Genehmigungszeiten und hohe Personalkosten.
Nur gut ein Viertel der Chemieunternehmen und 45 Prozent der befragten Pharmafirmen, halten Deutschland als Innovationsstandort noch für zukunftsträchtig. "Wirtschaft, Politik und Wissenschaft müssen vor allem diese Themen adressieren: Innovationskraft stärken, Produktionsstandort aufwerten, Wertschöpfungsketten absichern, Fachkräfteverfügbarkeit sicherstellen", erklärte BCG-Experte Madjar Navah. Der VCI forderte eine umfangreiche und langfristige Innovations- und Wachstumsagenda. Denn die Unternehmen stünden auch vor der Herausforderung, ihre Produktion in Richtung Klimaneutralität umzubauen.
"Unsere Unternehmen arbeiten mit voller Kraft an der Transformation. Aber sie agieren nicht im luftleeren Raum ? die Standortbedingungen in Deutschland haben sich fundamental verschlechtert. Wir müssen wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz wieder in Einklang bringen", sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Erste Anlagen wurden wegen der Energiekrise bereits heruntergefahren, wodurch dauerhaft niedrigere Produktionsmengen in der Grundstoffchemie erwartet werden.
Die Chemiebranche ist Deutschlands drittgrößter Industriezweig nach der Autobranche und dem Maschinenbau. Sie leidet unter den noch immer vergleichsweise hohen Energiepreisen, hohen Rohstoffkosten und der schwachen Konjunktur. Der VCI beklagt schon seit Langem die Bedingungen am Standort Deutschland und drängt vor allem auf einen international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis sowie auf einen Bürokratieabbau.
(Bericht von Patricia Weiß. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)