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28.10.2024 /14:39:34
FOKUS 1-SPD und BSW in Brandenburg steuern auf Koalitionsverhandlungen zu

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Woidke und Crumbach loben Gespräche

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Sondierungspapier: Sehen Stationierung US-Raketen kritisch

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CDU sieht Widerspruch zu Bundespolitik bei SPD

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Wagenknecht warnt vor Kompromissen
 
(Neu: Sondierungspapier, Reaktionen)
Berlin, 28. Okt (Reuters) - Die Spitzen von SPD und BSW
in Brandenburg schlagen ihren Parteien die Aufnahme von
Koalitionsverhandlungen vor. "Es gibt nur eine rechnerische
Möglichkeit, eine stabile Regierung zu erreichen", sagte
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Potsdam zur
Begründung nach den Sondierungsgesprächen.Deren Ergebnis sei
zunächst ein Vorschlag für die Parteigremien, die am Montag
tagen. Er gehe aber von einer Zustimmung aus. "Wir haben
tatsächlich sehr gute und sehr vertrauensvolle Gespräche
miteinander geführt", sagte auch der brandenburgische BSW-Chef
Robert Crumbach bei dem gemeinsamen Auftritt. "Wir haben in den
Sondierungsgesprächen festgestellt, dass ... es auch erhebliche
Übereinstimmungen in der Analyse der Situation in Brandenburg
gibt." Erreicht wurde dies auch mit Zugeständnissen der SPD bei
außenpolitischen Fragen.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hatte es in allen drei Bundesländern Gespräche zwischen CDU und SPD mit dem BSW zur möglichen Bildung einer Landesregierung gegeben. Nur mit dem BSW können Koalitionen ohne die AfD gebildet werden, mit der keine Partei regieren will. In Brandenburg hätten SPD und BSW zusammen eine Mehrheit.

Strittig war in allen drei Ländern vor allem die Frage der Außenpolitik. Im Sondierungspapier in Brandenburg kommt die SPD dem BSW nun deutlich entgegen. "Wir sehen vor diesem Hintergrund die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch", heißt es dort. Brandenburg sei durch Artikel 2 Absatz 1 seiner Verfassung dem Frieden verpflichtet. Dazu gehöre, aktiv zur Sicherung des Friedens beizutragen. Zur Ukraine heißt es: "Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird. Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können."

Hintergrund ist die Forderung vor allem von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht, dass sich Landesregierungen mit BSW-Beteiligung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Stationierung neuer US-Raketen aussprechen müssten. Dies lehnen die Spitzen von CDU und SPD aber ab. In dem Sondierungspapier heißt es deshalb: "Dieses politische Ziel besteht losgelöst von der Zuständigkeit des Bundes für die Außen- und Verteidigungspolitik."

Der CDU-Fraktionschef in Potsdam, Jan Redmann, kritisierte die Vereinbarung dennoch. "Mit dem vorgelegten Sondierungspapier wird deutlich, dass die SPD Brandenburg bereit ist, sich von ihren außenpolitischen Positionen zu verabschieden, nur um sich für Sarah Wagenknecht hübsch zu machen", sagte er. Die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen seien genauso wie die Stationierung von Mittelstreckenraketen Positionen, die Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) vertreten. Erschreckend vage bleibe das Papier jedoch, wenn es konkret um Brandenburg gehe.

IN THÜRINGEN UND SACHSEN WENIG FORTSCHRITTE

In Thüringen und Sachsen waren die Gespräche bereits weiter fortgeschritten, gerieten aber am Freitag ins Stocken. In Thüringen werfen SPD und CDU BSW-Chefin Wagenknecht vor, anders als die regionalen BSW-Politiker auf Maximalforderungen beim Thema Außenpolitik zu beharren. In Sachsen hatten BSW-Abgeordnete mit der AfD für die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt, der die Arbeit von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) kritisch beleuchten soll.

Wagenknecht wies am Montag im MDR Vorwürfe zurück, sie wolle eine Blockade der Regierungsverhandlungen in den Ländern. Es verhandelten in erster Linie die Landesverbände vor Ort. Sie unterstrich aber, dass das BSW sich zwischen den Ländern abstimmen müsse, weil es Rückwirkungen auf andere Verhandlungen habe, wenn die Partei in einem Bundesland Positionen aufgebe.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte Wagenknecht vorgeworfen, dass sie Regierungsbeteiligungen in ostdeutschen Bundesländern mit Blick auf die Bundestagswahl verhindern wolle. Wagenknecht wolle vielmehr einen Bundestagswahlkampf führen, "in dem sie ständig Nein sagt und die Positionen von Russland und Putin vertritt", sagte Merz. "Und das kann sie nicht gut, wenn sie zwischendurch auch in der politischen Verantwortung steht." Die BSW-Co-Chefin Amira Mohamed Ali wies dies zurück. "Das ist nicht das erste Mal, dass sich Friedrich Merz niveaulos und faktenfrei zu Sahra Wagenknecht äußert. Das sagt aber etwas über ihn aus, nicht über uns", sagte sie der "Rheinischen Post".

(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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