Berlin, 23. Feb (Reuters) - Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer fordert eine schnelle Regierungsbildung nach der Bundestagswahl. "Oberste Priorität sollte eine rasche Regierungsbildung haben, um eine Führungsrolle in Europa übernehmen zu können", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump und dessen Vize JD Vance hätten deutlich gemacht, dass sich Deutschland und Europa im militärischen Ernstfall nicht mehr auf eine Unterstützung durch die USA verlassen könnten. "Man kann nur hoffen, dass man sich angesichts der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen rasch und konstruktiv auf einen Koalitionsvertrag einigt, der das Land nach vorne bringt."
Erste Aufgabe der neuen Bundesregierung müsse es sein, in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn die Verteidigungsfähigkeit massiv zu stärken. Dafür müssten die Verteidigungsausgaben schnell, deutlich und dauerhaft erhöht werden. "Ich rechne damit, dass die neue Regierung dazu ein weiteres Sondervermögen Verteidigung einrichten wird, wenn sie die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen kann", sagte die Ökonomin. "Das ist aber keine Dauerlösung."
Um die Ausgabenbedarfe für zukunftsorientierte Ausgaben langfristig abzusichern, sei es besser, die Schuldenbremse insgesamt stabilitätsorientiert zu reformieren und dabei die Ausgaben für Verteidigung, Infrastruktur und Bildung verbindlich zu verstetigen. Das habe der Sachverständigenrat so vorgeschlagen. "Eine solche Verbindlichkeit wäre extrem wichtig, weil sonst Spielräume geschaffen werden, die für Wahlgeschenke genutzt werden könnten, wie zum Beispiel die Fixierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, die Erhöhung der Mütterrente und die Senkung der Mehrwertsteuer für Gastronomie und Lebensmittel", warnte die Wirtschaftsweise. "Das sind alles Maßnahmen, die kaum Wachstum bringen werden und verteilungspolitisch fragwürdig sind."
Dringend notwendig hingegen wären Reformen des Sozialversicherungssystems: Rente, Pflege und Krankenversicherung. "Deren Kosten werden sonst sehr bald völlig aus dem Ruder laufen und uns zu weiteren Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge oder zu Zuschüssen aus dem Staatshaushalt zwingen", sagte Schnitzer. "Das können wir uns nicht mehr leisten." Angesichts der Wahlprogramme sei sie aber wenig zuversichtlich, dass es zu solchen Reformen kommen werde. "Man kann nur hoffen, dass es durch die aktuellen Entwicklungen ein Umdenken geben wird", sagte Schnitzer.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Wollrab - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)