Nachricht


07.10.2024 /15:56:33
TOP-THEMA-SPD will noch Montag Nachfolge von Generalsekretär Kühnert klären

*

Kühnert gibt für Rückzug gesundheitliche Gründe an



*

35-Jähriger verzichtet auch auf erneute Bundestagskandidatur



*

SPD will mit Blick auf Wahlkampf sehr schnell Ersatz finden



*

Würdigung auch durch CDU-Generalsekretär
 
(Neu nach Statement SPD-Spitzen, mit Reaktionen)
- von Andreas Rinke
Berlin, 07. Okt (Reuters) - Nach dem Rücktritt von
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert will die SPD noch am Montag
seine Nachfolge klären. Am Abend würden die Spitzengremien der
Partei zu einer Schalte zusammengerufen, sagte die
Co-Vorsitzende Saskia Esken am Montagnachmittag. Sie werde dann
zusammen mit Co-Parteichef Lars Klingbeil einen Vorschlag
präsentieren. Dies müsse jemand sein, der einen
Bundestagswahlkampf sehr schnell organisieren könne, hieß es in
der SPD mit Blick auf die Bundestagswahl, die regulär am 28.
September 2025 stattfinden soll. In der Ampel-Koalition gibt es
aber seit Wochen Spekulationen, ob die Regierung aus SPD, FDP
und Grünen bereits zuvor auseinanderfällt.

In einer Mail an Partei-Mitglieder hatte der 35-jährige Kühnert zuvor seinen Rücktritt mit seiner angeschlagenen Gesundheit begründet. "Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin", schrieb er. "Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen."

Kühnert, der seit 2021 Mitglied des Bundestages ist, schrieb weiter, dass er Esken und Klingbeil "vor wenigen Tagen informiert" habe, dass er vom Amt des SPD-Generalsekretärs am Montag zurücktrete. Außerdem habe er die Vorsitzenden der SPD im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg darüber informiert, dass er auch nicht mehr für ein neues Bundestagsmandat kandidieren werde.

Als Generalsekretär stand er seit Wochen politisch unter Druck, vor allem weil die SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schlecht abschnitt. Nachdem die beiden Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour nach der Landtagswahl in Brandenburg zurücktraten, wurde Kühnert mehrfach mit der Frage konfrontiert, ob er nicht auch Verantwortung für die Wahlergebnisse übernehmen wolle - obwohl die SPD in Brandenburg dann sogar stärkste Kraft wurde. Kühnert antwortete darauf mehrfach, dass er sich die Frage auch stelle und zu einem Rückzug bereit sei, wenn dies der SPD helfen würde.

WÜRDIGUNG KÜHNERTS AUCH BEI GRÜNEN UND CDU

Parteiübergreifend gab es Respekt für den Schritt Kühnerts. SPD-Chef Klingbeil würdigte seine Arbeit. "Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass es Stabilität in der SPD gab, und er hat entscheidend dazu beigetragen, dass unsere Partei sich weiterentwickelt hat in den letzten Jahren", sagte Klingbeil über Kühnert, der als Vertreter des linken Parteiflügels gilt.

"Ich habe Kevin Kühnert als verdammt ehrlichen Kollegen kennengelernt. Die Zusammenarbeit war trotz politischer Differenzen immer verlässlich und vertrauensvoll", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der "Rheinischen Post". Die Entscheidung Kühnerts verdiene Respekt. "Gesundheit muss immer vorgehen. Ich wünsche ihm viel Kraft und eine schnelle und vollständige Genesung", sagte Linnemann. "Gesundheit geht immer vor. Alles Gute von Herzen und viel Kraft für die kommenden Monate, lieber Kevin Kühnert", schrieb auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr auf der Plattform X.

Die Grünen-Politikerin Lang schrieb, dass sie Kühnert für einen "der klügsten und schlagfertigsten Politiker" halte, die sie kenne. "Er zeigt gerade auch in dieser Situation, dass es ihm um die Sache geht und nicht um sich selbst."

Dagegen schrieb die AfD-Co-Chefin Alice Weidel, dass nach dem Rücktritt der Grünen-Vorsitzenden eine zweite Regierungspartei "Auflösungserscheinungen" zeige. "Warum tritt Scholz eigentlich nicht zurück?", schrieb sie mit Blick auf den Kanzler.

In dem Umfeld Kühnerts wurde am Montag betont, dass die angeführten gesundheitlichen Gründe nicht vorgeschoben seien. "Eine Krankheit ist Privatsache", mahnte SPD-Chefin Esken, die auch die Medien um Zurückhaltung bat.

Kühnert selbst betonte in seiner Mail, dass ihn die Entscheidung schmerze, weil er politische Arbeit "mit Herzblut" betreibe. Er trage aber eine doppelte Verantwortung - für sich selbst und die SPD. "Indem ich mich jetzt ganz um meine Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten gerecht zu werden", erklärte er.

Kühnert verwies darauf, dass er selbst in einem Interview gerade gesagt habe, dass die SPD im Bundestagswahlkampf 2025 über sich hinauswachsen müsse. Die Partei müsse eine enorme Kraftanstrengung unternehmen, um einen Rückstand in Umfragen und in einem "niedrigen Selbstbewusstsein" aufzuholen. "Die Erwartungen an uns sind riesig", hatte er gesagt. Dieser Erwartung könne er aber derzeit nicht gerecht werden, entschied er nun.

(Mitarbeit: Alexander Ratz; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.