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09.10.2024 /15:06:09
FOKUS 1-Österreichs Präsident: FPÖ, ÖVP und SPÖ sollen "Pattsituation" klären

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Stärkste Partei bekommt nicht den Auftrag für Regierungsbildung



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FPÖ, ÖVP und SPÖ sollen Möglichkeiten für Koalition besprechen



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Gespräche sollen bis Ende nächster Woche abgeschlossen sein





(neu: Hintergrund)
Wien, 09. Okt (Reuters) - In Österreich hat
Bundespräsident Alexander Van der Bellen zurBildung einer
Regierung einen neuen Weg eingeschlagen. Er werde diesmal nicht,
wie sonst üblich, der stimmenstärksten Partei den
Regierungsbildungsauftrag erteilen, sagte das Staatsoberhaupt am
Mittwoch in Wien. Stattdessen sollen die Vorsitzenden der drei
größten Parteien, FPÖ, ÖVP und SPÖ, untereinander klären, welche
Zusammenarbeit vorstellbar wäre. "Diesmal ist ein unüblicher
Fall eingetreten", sagte Van der Bellen. "Es ist vollkommen neu,
dass es einen Wahlsieger gibt, mit dem offenbar keine der
anderen Parteien regieren will". Für eine Regierungsbildung
braucht es mindestens zwei der drei größeren Parteien. Möglich
ist, dass es erstmals zu einer Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und
einer kleineren Partei kommt.
Traditionell erhielt bisher die stimmenstärkste Partei
den Auftrag zur Regierungsbildung. In der Verfassung
festgeschrieben ist das aber nicht. Der Bundespräsident, der in
Österreich mehr Befugnisse hat als etwa sein deutscher
Amtskollege, hat hier freie Hand. "Wir brauchen Klarheit", so
Van der Bellen in der Wiener Hofburg. "Sondierungsgespräche, die
von vornhinein zum Scheitern verurteilt sind, das bringt
Österreich nicht weiter".
 
FPÖ ERSTMALS STIMMENSTÄRKSTE PARTEI
 
Aus der

Nationalratswahl Ende September

war die rechtspopulistische FPÖ erstmals als stimmenstärkste Partei hervorgegangen. Die regierende konservative ÖVP verbuchte hohe Verluste und landete vor der sozialdemokratischen SPÖ auf Platz zwei. Die FPÖ kam auf 29,8 Prozent der Stimmen und erreichte damit ihr bisher bestes Ergebnis.

Parteichef Herbert Kickl

gelang es, die nach dem "Ibiza-Skandal" um den früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Wählergunst abgestürzte Partei an die Spitze zu führen. Insgesamt gaben der EU- und islamkritischen Partei rund 1,4 Millionen Österreicher ihre Stimme. Die seit Jahrzehnten in der politischen Landschaft etablierte Partei, die auf Bundesebene schon mehrfach mitregiert hat und in einigen Landesregierungen sitzt, konnte mit ihrer Kritik an der Corona-Politik der schwarz-grünen Regierung und ihrem harten Migrationskurs punkten. Nach dem Wahlsieg

erklärte Kickl

, dass er die künftige Regierung anführen wolle. Doch keine Partei will ihm den Weg ins Kanzleramt ebnen.

Eine Brandmauer gibt es in Österreich nicht. Die ÖVP
schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht generell aus, lehnt
aber eine Zusammenarbeit mit Kickl ab. In der FPÖ gebe es viele
"vernünftige Köpfe", sagte der amtierende Kanzler und ÖVP-Chef
Karl Nehammer. Doch Kickl sei ein Sicherheitsrisiko und habe
sich in Verschwörungstheorien verfangen. Die SPÖ, die liberalen
Neos und die Grünen wollen Van der Bellen zufolge mit der FPÖ
grundsätzlich nicht regieren. Kickl wiederum habe versichert,
dass es die FPÖ in einer Regierung nur mit ihm als Bundeskanzler
gebe. "Eine klassische Pattsituation", sagte Van der Bellen, der
den drei Parteien bis Ende nächster Woche Zeit gab für
Gespräche.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich. Redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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