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07.11.2024 /14:05:56
FOKUS 1-Studie zeigt sprunghaft gestiegene Zahl an Insolvenzen

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IWH: Höchster Oktoberwert seit 20 Jahren

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Verband: Ist nicht unerwartet oder dramatisch
 
(neu: Berufsverband der Insolvenzverwalter)
Berlin, 07. Nov (Reuters) - Die Zahl der Firmenpleiten
in Deutschland ist einer Studie zufolge im Oktober sprunghaft
gestiegen. 1530 Personen- und Kapitalgesellschaften meldeten im
vergangenen Monat Insolvenz an, wie das Institut für
Wirtschaftsforschung Halle (IWH) am Donnerstag mitteilte. Das
seien 17 Prozent mehr als im Vormonat und sogar 48 Prozent mehr
als ein Jahr zuvor - und zugleich der höchste Oktoberwert seit
20 Jahren. Die Zahlen lägen zudem 66 Prozent über dem
durchschnittlichen Oktoberwert der Jahre 2016 bis 2019, also vor
der Corona-Pandemie.

"Die derzeitige Insolvenzwelle ist das Ergebnis eines perfekten Sturms aus lang­anhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten", sagte IWH-Forscher Steffen Müller. "Viele schwächere Unternehmen, die in der Niedrigzinsphase und mit Unterstützung während der Pandemie überlebt haben, stehen nun bei stark ge­stiegenen Kosten unter massivem Druck." Das treibe vor allem hoch­verschuldete Firmen in die Insolvenz. Zu den besonders betroffenen Branchen zählen demnach das Baugewerbe, der Handel und unternehmensnahe Dienstleistungen. Im verarbeitenden Gewerbe lagen die Zahlen ebenfalls auf sehr hohem Niveau.

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht aber keinen Grund für Panik. "Schaut man sich die langjährige Entwicklung der Insolvenzen an, dann erreichen wir nicht annähernd die Zahlen, wie wir sie zu Zeiten der Finanzkrise gesehen haben", sagt dessen Vorsitzender Christoph Niering. Dies hänge auch mit den abnehmenden Gründungszahlen zusammen. Historisch seien über viele Jahrzehnte junge Unternehmen überdurchschnittlich häufig von Insolvenzen betroffen gewesen. Transformationsprobleme, demografischer Wandel und überholte Geschäftsmodelle würden ihre Spuren in der Insolvenzstatistik hinterlassen. "Spürbar, aber eben nicht unerwartet oder dramatisch", sagte Niering. Selten sehe man Unternehmen, die top aufgestellt und nun durch eine allgemeine Nachfrageschwäche in die Insolvenz gegangen seien. "Die meisten insolventen Unternehmen haben kein tragfähiges Geschäftsmodell oder sind nicht durchfinanziert", so der Experte. Nach wie vor sind zwei Drittel aller Insolvenzen auf Managementfehler zurückzuführen."

Müller führt die negative Entwicklung auf das
Zusammentreffen mehrerer Faktoren zurück. Eine anhaltende
konjunkturelle Schwächephase treffe auf stark gestiegene Kosten
bei Löhnen und Energie, während gleichzeitig Nachholeffekte aus
der Pandemie sowie eine teils verzögerte Anpassung der
Wirtschaft an neue strukturelle Rahmenbedingungen sichtbar
würden. Während der Pandemie erhielten insbesondere schwächere
Firmen Unterstützung durch staatliche Hilfsprogramme, wodurch
Insolvenzen hinausgezögert wurden. Diese würden nun nachgeholt,
sagte der Experte.

Hinzu komme noch, dass sich in der Nied­rigzinsphase auch unproduktive Unternehmen mit Hilfe günstiger Kredite über Wasser halten konnten. Seit den Zinserhöhungen durch die Europäische Zentral­bank im Jahr 2022 treffe die hohe Verschuldung diese Unternehmen nun besonders hart, weshalb es verstärkt zu Insolvenzen komme.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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