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27.09.2024 /14:08:58
FOKUS 2-Japans künftiger Regierungschef Ishiba will Konsum & Konjunktur ankurbeln

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Ex-Minister Ishiba zum Chef der Regierungspartei LDP gewählt



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Parlament wählt ihn wohl am Dienstag zum Ministerpräsidenten



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Ishiba will mit höheren Löhnen den Konsum anschieben



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67-Jähriger gilt als Außenseiter, aber beliebt beim Volk





(Neu durchgeschrieben mit Äußerungen von Ishiba zu seinem künftigen Regierungskurs, Hintergrund)

Tokio, 27. Sep (Reuters) -

Japans designierter neuer Regierungschef Shigeru Ishiba plädiert für höhere Löhne und will mit mehr Konsum die Wirtschaft des Landes ankurbeln. Die Ausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher anzuschieben, sei entscheidend, um Japan aus der konjunkturellen Flaute herauszuholen, sagte der ehemalige japanische Verteidigungsminister am Freitag in Tokio. Der 67-Jährige war zuvor zum neuen Vorsitzenden der regierenden Liberaldemokraten (LDP) gewählt worden. Damit sind die Weichen für eine Übernahme des Postens an der Regierungsspitze gestellt. Das Parlament wird Ishiba voraussichtlich am Dienstag als Nachfolger von Fumio Kishida zum Ministerpräsidenten wählen. Die LDP regiert Japan fast die gesamte Nachkriegszeit und verfügt über eine klare Mehrheit im Parlament.

"Japans Bruttoinlandsprodukt hat in den letzten zwei Jahrzehnten stagniert", sagte Ishiba auf einer Pressekonferenz. Zudem habe das Lohnwachstum die Inflation noch nicht übertroffen. "Wenn der Konsum nicht anzieht, wird es der Wirtschaft nicht gut gehen." Der neue LDP-Chef versprach, die Politik von Kishida zu beschleunigen. Diese zielt darauf ab, das Haushaltseinkommen durch Lohnerhöhungen zu steigern. Die Äußerungen legen nahe, dass Ishiba viele Vorhaben seines Vorgängers weiterführen dürfte. Japan müsse "vollständig aus der Deflation herauskommen", betonte Ishiba. Ein solcher Preisverfall auf breiter Front lähmt die Wirtschaft, weil Firmen und Verbraucher ihre Investitionen oft aufschieben.

Kishida hatte im August seinen Rückzug angekündigt, nachdem die LDP nach einer Reihe von Skandalen massiv an Popularität eingebüßt hatte. Ishiba schaffte es im fünften Versuch - den er als seine "letzte Schlacht" bezeichnet hatte - an die Spitze der LDP. Er setzte sich in einer Stichwahl gegen die Hardlinerin Sanae Takaichi durch, die als Verfechterin der sogenannten "Abenomics" gilt. Die nach dem verstorbenen Regierungschef Shinzo Abe benannte Konjunkturpolitik fußt etwa auf lockerer Geldpolitik und hohen Staatsausgaben.

Analysten gehen davon aus, dass Ishibas Wahlsieg der japanischen Notenbank (BOJ) freie Hand geben dürfte, die Zinsen weiter zu erhöhen. "Mit dem heutigen Ergebnis wird der Einfluss der Abenomics im Wesentlichen verschwinden", sagte Kazutaka Maeda, Ökonom beim Meiji Yasuda Research Institute. Er rechnet im Dezember mit der nächsten Zinserhöhung der BOJ.

Ishiba wird wahrscheinlich ein neues Konjunkturpaket vorlegen, das sich auf Schritte zur Eindämmung des Anstiegs der Lebensmittel- und Kraftstoffpreise konzentriert und durch einen Nachtragshaushalt finanziert werden soll.

LIEBER DREI BÜCHER AM TAG - STATT ZEIT MIT PARTEIFREUNDEN

Ishiba gilt als Außenseiter. Er sagt von sich, dass er drei Bücher am Tag lese und das lieber tue, als sich unter die Kolleginnen und Kollegen der Regierungspartei zu mischen. Während seiner Zeit außerhalb der Regierung blieb er durch Medienauftritte, Social-Media-Posts und auf YouTube in der Öffentlichkeit präsent. Er sinnierte über Themen wie Japans sinkende Geburtenrate bis hin zu Ramen-Nudeln.

Außenpolitisch muss Ishiba durch ein instabiles Sicherheitsumfeld in Ostasien steuern - wo er sich mit einem voranpreschenden China und dem atomar bewaffneten Nordkorea auseinandersetzen muss. Sein diplomatischer Ansatz mit den USA als Japans engstem Verbündeten wird im Mittelpunkt stehen. Denn Ishiba hat wiederholt zu einem ausgewogeneren Verhältnis aufgerufen.

In seinem Wahlkampf forderte Ishiba auch die Schaffung einer asiatischen Militärallianz nach Vorbild der Nato. Die Idee könnte den Ärger der chinesischen Regierung auf sich ziehen und wurde bereits von einem hochrangigen US-Beamten als übereilt abgetan. Der US-Botschafter in Japan, Rahm Emanuel, gratulierte Ishiba und erklärte, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit ihm zur Stärkung der Allianz zwischen den USA und Japan.

Nach kurzer Karriere als Banker zog Ishiba 1986 ins Parlament ein, doch seine unverblümten Ansichten brachten ihm in der LDP Feinde ein. Er wurde vom scheidenden Ministerpräsidenten Kishida an den Rand gedrängt und zu einer abweichenden Stimme in der Partei. Dabei genoss er aber die breite Unterstützung in der Öffentlichkeit und unter einfachen Partei-Mitgliedern.

(Bericht von Makiko Yamazaki, Leika Kihara, Tetsushi Kajimoto, Sakura Murakami, Satoshi Sugiyma, John Geddie und Tim Kelly. Geschrieben von Klaus Lauer. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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