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27.09.2024 /13:21:11
FOKUS 2-Lindner warnt vor feindlicher Übernahme der Commerzbank

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FDP-Politiker wendet sich an italienische Kollegen

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Insider: Erstes Gespräch mit Unicredit seit Einstieg

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Orlopp: "Wir werden keine dummen Dinge tun"
 
(neu: Lindner, mehr Hintergrund)
- von John O'Donnell und Tom Sims
Berlin/Frankfurt, 27. Sep (Reuters) -
B undesfinanzminister Christian Lindner schaltet sich Insidern
zufolge in den Streit um einen möglichen Verkauf der
Commerzbank <CBKG.DE> durch die italienische Unicredit
ein. Der FDP-Politiker habe in Gesprächen mit dem italienischen
Finanzministerium in den vergangenen Tagen vor einer feindlichen
Übernahme der zweitgrößten börsennotierten Bank in Deutschland
gewarnt, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der
Nachrichtenagentur Reuters. Lindners Sprecher sagte am Freitag,
der Minister sei in ständigem Kontakt mit seinen europäischen
Kollegen, es gebe aber keine einzelnen Gespräche, die man
kommentieren wolle.

Unterdessen haben sich hochrangige Manager von Commerzbank und Unicredit Insidern zufolge am Freitagmorgen zu einer Videokonferenz zusammengeschaltet - dem ersten Gespräch seit dem Einstieg der Italiener. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte die Commerzbank und ihren Großaktionär, den Bund, mit dem Einstieg überrumpelt. Unicredit hatte bei einer Platzierung 4,5 Prozent der Anteile vom Bund gekauft und sich weitere 4,5 Prozent bereits im Vorfeld gesichert. Mittlerweile hat Unicredit über Finanzderivate nach eigenen Angaben Zugriff auf bis zu 21 Prozent der Anteile an dem Geldhaus. Der Bund hält noch zwölf Prozent an der Commerzbank und hat weitere Verkäufe aus dem in der Finanzkrise erworbenen Paket auf Eis gelegt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Commerzbank bei
einem Telefonat mit der italienischen Regierungschefin Giorgia
Meloni am Donnerstag nicht angesprochen, sagte
Regierungssprecher Steffen Hebestreit: "Das Thema Commerzbank
hat bei dem Gespräch meines Wissens keine Rolle gespielt." Der
Kanzler hatte allerdings bereits am Montag sein Missfallen über
das Vorgehen Orcels ausgedrückt: "Mit unfreundlichen Methoden
sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen", halte die
Bundesregierung nicht für angemessen. Die Commerzbank könne den
Mittelstand auch unabhängig mit Krediten versorgen.
COMMERZBANK IN DER ZWICKMÜHLE

Orcel hatte in den vergangenen Tagen unterschiedliche Signale in Richtung der Commerzbank ausgesendet, aber klargemacht, dass Unicredit Interesse an einer Übernahme hätte. Die designierte Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp hatte das Gespräch am Donnerstag angekündigt: Es sei üblich, dass man seine Ansichten austausche. Man werde alles bewerten, was auf den Tisch komme. "Wir werden keine dummen Dinge tun." Manchmal ergebe etwas Sinn, manchmal nicht, und das müsse man gemeinsam herausfinden. Sie ist in einer Zwickmühle: Zum einen will die Bank grundsätzlich unabhängig bleiben, zum anderen ist sie ihren Aktionären verpflichtet, das Beste für sie herauszuholen, und kann sich Gesprächen daher nicht verweigern. Die Commerzbank-Aktie hat 30 Prozent zugelegt, seit Unicredit seinen Einstieg publik gemacht hat.

Um sich schlagkräftiger zu verteidigen, hat die
Commerzbank den Führungswechsel von Manfred Knof auf Orlopp
vorgezogen. Die derzeitige Finanzchefin übernimmt bereits am
kommenden Donnerstag offiziell das Ruder. Bei einem Verkauf nach
Italien fürchten Kunden und Politiker, dass die Bank den
Mittelstand nicht wie bisher mit Krediten versorgt. Orcel
verweist jedoch auf das Beispiel der HypoVereinsbank, die seit
mehr als einem Jahrzehnt zu Unicredit gehört: Deren Umbau könne
eine Blaupause für die Commerzbank sein. Bei der HVB sind
allerdings seit der Übernahme Tausende Stellen weggefallen. Das
befürchten Belegschaftsvertreter auch bei der Commerzbank, wenn
diese in Unicredit aufgehen würde.
 
Lindners Ministerium war in die Kritik geraten, weshalb
es den Einstieg der Italiener im Zuge der Über-Nacht-Platzierung
nicht verhindert habe. Das Finanzministerium hatte auf einen
"diskriminierungsfreien" Verkauf verwiesen, der den Ausschluss
einzelner Interessenten verbiete. In der liberalen FDP gibt es
auch Stimmen, die darauf pochen, dass die Aktionäre und nicht
die Politik über eine Übernahme entscheiden sollten. Lindner
sieht Insidern zufolge aber das Vorpreschen von Unicredit
kritisch, das andere mögliche Käufer abschrecken könnte.

(Weiterer Reporter: Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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