Nachricht


15.10.2024 /16:02:45
FOKUS 1-Habeck und BDI wollen Investitionsschub als Lösung für Wirtschaftskrise

*

Umbau Stahlindustrie mit ersten Klimaschutzverträgen



*

BDI: Investitionsboom um von Verliererstraße zu kommen



*

Agora-Studie: 760 Mrd öffentliche Investition für Klimaneutralität nötig





(Neu: Klimaschutzverträge, Agora-Studie)
Berlin, 15. Okt (Reuters) - Wirtschaftsminister Robert
Habeck und die deutsche Industrie sehen in einem schnellen
Investitionsschub einen Schlüssel zur Lösung der
Wirtschaftskrise. Während Habeck sich am Dienstag beim
BDI-Klimakongress für umfassende Steuererleichterungen
aussprach, forderte BDI-Chef Siegfried Russwurm zudem niedrigere
Strompreise und weniger Regulierung. "Der Kern muss darin
bestehen, dass mehr in Innovationen investiert wird", sagte der
Grünen-Politiker. Firmen müssten stärker steuerlich belohnt
werden als die Regierung dies derzeit plane. Hilfen für die
Industrie bei Investitionen in klimafreundliche Produktion seien
zudem nötig, um diese in Deutschland zu halten, sagte Habeck bei
der Übergabe erster sogenannter Klimaschutzverträge an Firmen.
Russwurm sagte: "Wir brauchen einen Investitionsboom. Nicht
irgendwann, sondern heute."
Deutschlands Wirtschaft ist vergangenes Jahr geschrumpft
und auch 2024 wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts
erwartet. Zugleich leidet die Industrie unter hohen
Strompreisen, die auch durch den für die Energiewende nötigen
Netzausbau getrieben werden. Habeck sprach sich für
Steuergutschriften nach dem Vorbild der USA aus, um Firmen zu
unterstützen. Diese führten zwar zunächst zu Einnahmeverlusten
des Staates, würde langfristig aber zu mehr Wachstum und höheren
Einnahmen führen. In der Ampel-Regierung und der Verpflichtung
auf die Schuldenbremse gilt dies im angespannten Staatshaushalt
aber als kaum umsetzbar.
 
Russwurm vom BDI betonte, die Industrie stehe zum
Klimaschutz, den Firmen fehle aber Spielraum: "Die Lage ist
ernst. Es braucht ein Umdenken, wir sind auf der
Verliererstraße." Zu viele detaillierte Vorschriften auch aus
Brüssel bremsten. Der Weg der vergangenen Jahre funktioniere
nicht mehr. Das Risiko einer Abwanderung der Industrie sei
inzwischen real geworden.
 
VOR ALLEM GRUNDSTOFFINDUSTRIE BEDROHT
 
Vor allem die Grundstoffindustrie Chemie, Stahl oder
Papier, die noch auf fossile Energie wie Kokskohle oder Erdgas
angewiesen ist, gilt als bedroht. Für den Umbau zu
klimafreundlicher Produktion benötigt sie noch teuren
Wasserstoff und braucht daher Unterstützung. Habeck will
Unternehmen dafür mehr als zehn Milliarden Euro über sogenannte
Klimaschutzverträge geben. So soll die Differenz zwischen den
noch hohen Kosten für Wasserstoff und den jetzigen Preisen für
fossile Energieträger ausgeglichen werden. Die Verträge laufen
über 15 Jahre. Bei einer schnellen Schrumpfung der Preisspanne
zwischen den Brennstoffen ist auch eine Rückzahlung von
Fördermitteln verankert. In einer ersten Runde werden 15 Firmen
unterstützt - mit insgesamt bis zu 2,8 Milliarden Euro.
 
Habeck verteidigte die milliardenschwere Förderung der
Industrie gegen Kritik, diese sei zu teuer: "Dann muss man
sagen, das wird das Ende der Stahlproduktion in Deutschland sein
oder das Ende des Klimaschutzes." Man könne zwar darüber
diskutieren, ob Stahl in Deutschland oder Europa produziert
werden müsse. Dieser sei aber wichtig für Autos, Windräder oder
auch die Rüstungsindustrie. Für ihn sei es daher klar, dass sie
in Deutschland gehalten werden müsse.

Laut einer Studie der Denkfabrik Agora-Energiewende wird die öffentliche Hand allein für den Weg zur Klimaneutralität rund 760 Milliarden Euro kosten. Jährlich müsse die öffentliche Hand allein zwischen 2025 und 2045 im Schnitt rund 38 Milliarden Euro für Klimainvestitionen aufwenden. Dazu kämen aber weitere Beträge, etwa um soziale Härten abzufedern und private Investitionen zu fördern. Viele dieser Mehraufwendungen würden sich wie bei E-Autos über die Lebenszeit aber rechnen. Drei Viertel der jährlich 147 Milliarden Euro an Klimainvestitionen würden von der Privatwirtschaft geleistet, beispielsweise im Energiebereich. Dies werde dazu führen, dass trotz des nötigen Netzausbaus die Stromkosten zunächst stabil und später sinken würden. Durch den Ausbau der Erneuerbaren werde die Abhängigkeit von Energieimporten bis 2045 zudem um 85 Prozent sinken.

(Bericht von Markus Wacket, Christian Krämer; Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.