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24.09.2024 /12:22:33
TOP-THEMA-Ifo-Index sinkt erneut - "Deutschland neues Sorgenkind der Euroländer"

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Wichtiges Konjunkturbarometer fällt vierten Monat in Folge



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Firmen blicken skeptischer auf Lage und Aussichten



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Ifo-Chef: "Deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck"



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IMK-Institut senkt BIP-Prognose für 2024 und 2025





(Mit Details zu Branchen, mehr Ökonomen, BIP nach Bundesländern)

- von Klaus Lauer und Rene Wagner
Berlin, 24. Sep (Reuters) -

Die deutsche Wirtschaft hat ihre Talfahrt im September beschleunigt und steuert auf eine Rezession zu. Das Ifo-Geschäftsklima als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland sank auf 85,4 Zähler von 86,6 Punkten im Vormonat und damit das vierte Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Fachleute hatten nur mit einem Minus auf 86,0 Zähler gerechnet. "Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Firmen beurteilten ihre Lage und die Aussicht für die kommenden Monate schlechter als zuletzt. "Ein Aufschwung ist derzeit nicht in Sicht und Deutschland ist das neue Sorgenkind der Euroländer", sagte Konjunkturexperte Christoph Swonke von der DZ Bank.

Im Verarbeitenden Gewerbe sank der Ifo-Index auf den niedrigsten Wert seit Juni 2020 mitten in der Corona-Zeit. Schlechte Lage, trübe Aussichten, verschärfter Auftragsmangel - "die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten", betonte Fuest. "Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Abwärtsspirale", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters.

"KALTE DUSCHE" - IFO-INDEX SIGNALISIERT ABWÄRTSTREND

Der deutliche Rückgang des Ifo-Index sei eine "kalte Dusche" und das wichtige Barometer zeige nun im Trend wieder klar nach unten, sagte auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im zweiten Halbjahr bestenfalls stagnieren und auch 2025 kaum wachsen. "Mit einem Plus von nur 0,5 Prozent ist wegen der seit Jahren erodierenden Standortqualität kein richtiger Aufschwung in Sicht."

Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut senkte derweil seine Prognose leicht und traut der Wirtschaft 2024 nur noch eine Stagnation zu. Im nächsten Jahr werde es mit 0,7 Prozent Wachstum langsamer bergauf gehen als bisher gedacht. "In dieser Situation bräuchten wir in Deutschland eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung", sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher IMK-Direktor. In den kommenden zehn Jahren seien zusätzliche Investitionen von 600 Milliarden Euro nötig.

Im Dienstleistungssektor hat sich das Geschäftsklima verschlechtert, wobei sich die Stimmung im Tourismus und im Gastgewerbe verbesserte. Im Handel war der "Ausblick auf die kommenden Monate wieder von mehr Pessimismus geprägt", erläuterte Ifo-Chef Fuest. Am Bau ging es etwas bergauf - da die Erwartungen weniger pessimistisch waren.



MECKPOMM WACHSTUMSMEISTER - BADEN-WÜRTTEMBERG LETZTER
 
Zuletzt hatte bereits die Umfrage unter Einkaufsmanagern
für die hiesige Privatwirtschaft den Hoffnungen auf einen
Aufschwung einen kräftigen Dämpfer versetzt: Das Barometer
rutschte im September noch tiefer unter die Wachstumsschwelle
von 50 Punkten, wie S&P Global jüngst mitteilte. Denn die
deutsche Wirtschaft dümpelt derzeit am Rande einer Rezession.
Nach plus0,2 Prozent zu Jahresbeginn war das BIP von April bis
Juni wegen sinkender Investitionen um 0,1 Prozent zum Vorquartal
gefallen.

Die Wirtschaft könnte nach Einschätzung der Bundesbank im laufenden Sommerquartal stagnieren oder erneut leicht schrumpfen. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer technischen, also vorübergehenden Rezession.

Wirtschaftlich so stark gewachsen wie kein anderes Bundesland ist im ersten Halbjahr Mecklenburg-Vorpommern. Das BIP legte dort um 3,1 Prozent zum Vorjahreszeitraum zu, wie die Statistischen Landesämter mitteilten. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt schrumpfte die Wirtschaft um 0,2 Prozent. Das gute Abschneiden verdankt MeckPomm einem "kräftigen Anstieg der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe", wie es hieß. Das Nord-Land war schon 2023 deutscher Meister beim Wirtschaftswachstum, wobei es von dem ans Netz gegangenen neuen Flüssiggas-Terminal in Lubmin profitierte.

Den zweiten Platz belegte in den ersten sechs Monaten
Hamburg mit plus 2,2 Prozent, vor Schleswig-Holstein mit 1,1
Prozent. Am schlechtesten schnitt Baden-Württemberg ab: Hier
schrumpfte die Wirtschaft wegen der schwächelnden Industrie um
1,3 Prozent.

(redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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