(Neu mit Präsidentin Surabischwili, Reaktion von Russland) |
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Präsidentin Surabischwili bekräftigt Vorwürfe |
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Vorgehen nach russischem Vorbild |
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Russland bestreitet Einmischung |
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USA und EU fordern Untersuchung von Unregelmäßigkeiten | |
Tiflis, 28. Okt (Reuters) - Die georgische Präsidentin | |
Salome Surabischwili hat ihre Manipulationsvorwürfe nach der | |
umstrittenen Parlamentswahl bekräftigt und der Regierungspartei | |
ein Vorgehen nach russischem Vorbild vorgehalten. Sie glaube, | |
dass bei der Wahl in der ehemaligen Sowjetrepublik im | |
Südkaukasus eine "Methodik" im | russischen Stil im Spiel gewesen |
sei, sagte Surabischwili am Montag in einem Interview der | |
Nachrichtenagentur Reuters. Dies sei kein direkter Vorwurf, dass | |
Russland bei einer Fälschung der Wahl geholfen habe. Es habe | |
sich aber bei dieser Wahl eine Methodik und Unterstützung wohl | |
von der Art des russischen Geheimdienstes FSB gezeigt. Die | |
Propaganda, die vor der Wahl eingesetzt worden sei, sei eine | |
direkte Kopie gewesen von russischen Clips und Videos, die bei | |
der Wahl von Präsident Wladimir Putin verwendet worden seien. |
Das von den Behörden verkündete Ergebnis der Wahl vom Samstag, wonach die Regierungspartei Georgischer Traum mit knapp 54 Prozent der Stimmen die Wahl gewonnen habe, sei falsch, bekräftigte Surabischwili. Tatsächlich habe die Regierungspartei nur etwa 40 Prozent der Stimmen erhalten. Die von Surabischwili genannte Zahl stimmt weitgehend mit zwei Nachwahlbefragungen überein, denen zufolge die pro-europäische Opposition die Mehrheit der Sitze im Parlament in Tiflis gewonnen hat. Bereits am Sonntag hatte Surabischwili von Wahlbetrug gesprochen. Georgien sei Opfer einer "russischen Spezialoperation" geworden, sagte die der Opposition nahestehende Präsidentin dabei, ohne dies genauer auszuführen. Für Montagabend hatte sie die Bevölkerung zu einer Demonstration in der Hauptstadt Tiflis aufgerufen, um gegen das offizielle Wahlergebnis zu protestieren. Der Protest solle ein Ausdruck des Volkes sein, "dass es seine europäische Zukunft behalten will", sagte Surabischwili zu Reuters.
Internationale Wahlbeobachter unter anderem von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten zwar nicht von Wahlbetrug gesprochen, aber von erheblichen Verstößen gegen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl berichtet, die sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben könnten. Die USA und die EU forderten eine Untersuchung der Vorfälle.
Georgiens Ministerpräsident Irakli Kobachidse warf der Opposition am Montag laut heimischen Medien vor, die "verfassungsmäßige Ordnung" stürzen zu wollen. Seine Regierung sei weiter der europäischen Integration verpflichtet. Russland bestritt jegliche Einmischung in die Wahl. "Es gab keine Einmischung, und die Anschuldigungen sind absolut unbegründet", sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Vielmehr habe es Versuche von europäischer Seite gegeben, sich in die Wahl einzumischen, um Georgien zu destabilisieren. Russland unterstützt Separatisten in zwei abtrünnigen Regionen in Georgien und hat in diesem Zusammenhang 2008 einen kurzen Krieg mit dem Nachbarland geführt.
Die georgische Opposition wirft der Regierung in Tiflis vor, vom pro-europäischen Kurs des Landes abkehren und Georgien wieder enger an Russland binden zu wollen. Die Regierung bestreitet dies. Auch die EU sieht die Entwicklung in dem Land kritisch und hat den Beitrittsprozess wegen umstrittener Gesetze auf Eis gelegt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und dem Russland-Nähe vorgeworfen wird, hatte allerdings der Regierungspartei als einer der ersten zu dem verkündeten Wahlsieg gratuliert. Er wurde am Montag zu einem Besuch in Tiflis erwartet. Georgien ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis.
Surabischwili, eine in Paris geborene ehemalige französische Diplomatin, wurde 2016 als unabhängige Abgeordnete ins georgische Parlament gewählt. 2018 kam sie mit Unterstützung des Georgischen Traum ins Präsidentenamt. Doch in den vergangenen Jahren hat die 72-Jährige mit der Partei gebrochen und ist zu einer ihrer schärfsten Kritikerinnen geworden.
(Bericht von Felix Light, Lucy Papachristou, Sabine Seibold und Costas Pitas, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)