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25.12.2024 /13:22:36
TOP-THEMA-Massiver Angriff Russlands auf Energieversorgung in Ukraine

(durchweg neu)

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Selenskyj: 50 von 70 russischen Raketen abgefangen

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Präsident nennt Angriff an Weihnachten unmenschlich

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Mindestens sechs Verletzte in Charkiw
 
- von Pavel Polityuk
Kiew, 25. Dez (Reuters) - Die russischen Truppen haben
an Weihnachten die Energieversorgung der Ukraine sowie mehrere
Städte massiv angegriffen. Nach Angaben der Regierung in Kiew
wurden am Mittwoch Marschflugkörper, ballistische Raketen und
Drohnen eingesetzt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj sprach von rund 70 Raketen und mehr als hundert
Angriffsdrohnen. "Heute hat Putin bewusst Weihnachten für seinen
Angriff gewählt", schrieb er auf dem Kurzmitteilungsdienst
Telegram mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir
Putin. "Was könnte unmenschlicher sein?" In mehreren Regionen
des Landes sei es zu Einschlägen und Stromausfällen gekommen,
teilte Selenskyj mit. Ziel der russischen Angriffe sei die
Energieversorgung. "Sie kämpfen weiter für einen Stromausfall in
der Ukraine." Energieminister German Galuschtschenko erklärte
auf Facebook, der Netzbetreiber habe die Stromversorgung
eingeschränkt, um die Auswirkungen des Angriffs zu begrenzen.

Das russische Verteidigungsministerium sprach von einem "massiven Angriff" auf die ukrainische Energieinfrastruktur, die der Rüstungsindustrie diene. Es seien Langstreckenpräzisionswaffen und Angriffsdrohnen zum Einsatz gekommen. "Das Ziel des Angriffs wurde erreicht", erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Alle Einrichtungen seien getroffen worden.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht zu Mittwoch 59 von insgesamt 78 russischen Raketen abgefangen. Außerdem seien 54 von 102 Drohnen zerstört worden.

HUNDERTTAUSENDE MITTEN IM WINTER OHNE HEIZUNG

DTEK, das größte private Energieunternehmen der Ukraine, teilte mit, es seien Kraftwerke beschossen worden. Es gebe schwere Schäden. "In diesem Jahr ist es der 13. massive Angriff auf den ukrainischen Energiesektor und der zehnte massive Angriff auf die Energieanlagen des Unternehmens." DTEK-Geschäftsführer Maxim Timtschenko rief die Verbündeten auf, der Ukraine mehr Munition zu liefern. "Wir appellieren an alle Verbündeten der Ukraine, diesen staatlich geförderten Terrorismus jetzt zu beenden, indem sie unseren Streitkräften die Flugabwehrmunition geben, die sie brauchen, um die wichtige Energieinfrastruktur zu schützen."

Die russischen Truppen haben ihre Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine seit dem Frühjahr erheblich verstärkt. Fast die Hälfte der Stromerzeugungskapazität wurde bislang beschädigt. Im ganzen Land kommt es immer wieder zu stundenlangen Stromausfällen.

In der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine wurden bei den jüngsten russischen Raketenangriffen nach Angaben des Gouverneurs Oleh Synjehubow mindestens sechs Menschen verletzt. Es gebe "Schäden an der zivilen, nicht zu Wohnzwecken genutzten Infrastruktur", schrieb er auf Telegram. Eine halbe Million Menschen in der Region Charkiw hatte bei Temperaturen von nur wenigen Grad über Null keine funktionierende Heizung. Auch in der Hauptstadt Kiew und anderorts kam es zu Stromausfällen.

Weiter im Süden der Ukraine wurden ebenfalls Raketenangriffe gemeldet. Der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, schrieb auf Telegram: "Seit dem Morgen greift die russische Armee die Region Dnipro massiv an. Sie versucht, das Stromnetz der Region zu zerstören." Ein Mensch sei bei einem Angriff auf das regionale Kraftwerk getötet worden. Die Behörden in den Regionen im Osten, Zentrum, Süden und Westen der Ukraine berichteten, dass Raketen über die Gebiete hinweggeflogen seien.

Bei einem massiven Raketenangriff am 17. November hatte Russland 120 Raketen und 90 Drohnen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert. Damals wurden mindestens sieben Menschen getötet. Das Stromnetz wurde so schwer beschädigt, dass in großen Teilen der Ukraine stundenlang der Strom ausfiel.

Für die Menschen in der Ukraine ist es das zweite Weihnachtsfest am 25. Dezember und damit nach dem neuen Kalender. Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer sind zwar orthodoxe Christen, und haben früher traditionell nach dem julianischen Kalender Russlands Weihnachten am 7. Januar gefeiert. Doch 2018 gründete sich die unabhängige Orthodoxe Kirche der Ukraine, die sich im vergangenen Jahr dazu entschlossen hat, von dieser Tradition - und damit von Russland - abzurücken. Sie feiert seither wie die meisten Christen weltweit am 25. Dezember Weihnachten nach dem gregorianischen Kalender, der seit Ende des 16. Jahrhunderts in Europa gilt.

"Russlands Weihnachtsgeschenk an die Ukraine: mehr als 70 Raketen und 100 Drohnen, gerichtet auf ukrainische Familien, die in ihren Häusern feiern, und auf die Energieinfrastruktur, die sie am Leben erhält", erklärte die US-Botschafterin in der Ukraine, Bridget Brink. "Russland macht den Winter zur Waffe."



(geschrieben von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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