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04.10.2024 /06:11:56
WDHLG-TOP-THEMA-Insider - Scholz sagt Nein zu EU-Strafzöllen auf E-Autos aus China

(Wiederholung vom Vorabend)
- von Andreas Rinke
Berlin, 03. Okt (Reuters) - Deutschland wird nach
Informationen der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag in
Brüssel gegen EU-Strafzölle auf Elektroauto-Importe aus China
stimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mache von seiner
Richtlinienkompetenz Gebrauch, hieß es am Donnerstag in
Koalitionskreisen. Am Mittwoch hatten sich im Kabinett nach
Reuters-Informationen Wirtschaftsminister Robert Habeck und
Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) gegen ein Nein
ausgesprochen. FDP-Chef Christian Lindner plädierte dafür. Bei
einer früheren Abstimmung in Brüssel hatte sich Deutschland
wegen der Unstimmigkeiten in der Ampel-Regierung noch enthalten.
Ein Regierungssprecher wollte sich nicht äußern.

Die EU-Mitglieder wollen am Freitag darüber abstimmen, ob in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Zölle für E-Autos aus China erhoben werden. Die vorgeschlagenen Zölle reichen von 7,8 Prozent für Autos von Tesla <TSLA.O>, die in China gebaut wurden, bis hin zu 35,3 Prozent für die vom chinesischen Autokonzern SAIC und anderen Herstellern. Betroffen davon sind auch die deutschen Autobauer, die Fahrzeuge wie den elektrischen Mini von BMW <BMWG.DE> oder das Volkswagen <VOWG_p.DE>-Modell Cupra Tavascan aus der Volksrepublik importieren. Die Abgaben kommen zu den üblichen EU-Importzöllen von zehn Prozent für Autos hinzu und würden ab Ende Oktober greifen, wenn in der EU nicht noch eine qualifizierte Mehrheit dagegen votiert.

Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, weil Frankreich, Italien, Polen und Griechenland mit zusammen 39 Prozent der Bevölkerung Insidern zufolge für die Abgaben votieren wollen. Für eine qualifizierte Mehrheit sind mindestens 15 Länder nötig, die zusammen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen. Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo plädierte in einem Brief an die EU-Kommission, in den Reuters Einblick hatte, für einen Kompromiss und weitere Verhandlungen mit China über Preise und die Ansiedlung von Batteriefabriken in der EU.

HABECK TRÄGT ENTSCHEIDUNG VON SCHOLZ MIT

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich ebenfalls für ein Nein Deutschlands zu den Strafzöllen ausgesprochen und gefordert, der Kanzler müsse im Zweifel "eine klare Ansage" machen. Er argumentierte, dass Deutschland und die EU sich durch einen Handelskrieg mit China selbst schadeten. Die Autohersteller aus Deutschland lehnen die Zölle strikt ab, weil sie Vergeltungsmaßnahmen des für sie wichtigen Absatzmarktes fürchten. Die Befürworter von Strafzöllen argumentieren, dass China sich nur bewegen würde, wenn man eine harte Haltung zeige.

Aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums hieß es, Ziel sei ein fairer Wettbewerb und kein Handelskrieg. Damit die EU ihre Verhandlungsmacht voll nutzen könne, wäre ein anderer Weg als ein Nein zu Strafzöllen besser gewesen. Dennoch trage Wirtschaftsminister Habeck die Entscheidung von Kanzler Scholz mit: "Das ist an der Stelle aber keine Glaubensfrage, sondern eine der politischen Taktik, wie Europa am besten verhandeln kann", hieß es. Es müsse eine Verhandlungslösung geben, die die Interessen Deutschlands und der EU wahre.

Auch Scholz hatte am Mittwoch in einer Rede in Berlin gefordert, dass die Verhandlungen mit China in Bezug auf Elektrofahrzeuge weitergehen müssten. Zugleich hatte der Kanzler die EU-Kommission aufgefordert, dass sie "endlich dort anpackt, wo chinesische Billigimporte unserer Wirtschaft tatsächlich schaden, beispielsweise beim Stahl". Dort beklagen die EU-Staaten Dumping durch chinesische Stahl-Importe. Der Kanzler hatte seine Richtlinienkompetenz auch beim Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in eine der vier Betreibergesellschaften des Hamburger Hafens geltend gemacht und sich über Einwände der Koalitionspartner hinweggesetzt.

INSIDER SEHEN TROTZDEM MEHRHEIT FÜR EU-STRAFZÖLLE

Die EU-Kommission hat für die Abstimmung am Freitag Insidern zufolge aber ausreichend Befürworter unter den EU-Staaten für die von ihr vorgeschlagenen Zölle. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Mittwoch bekräftigt, er unterstütze die Pläne der EU-Kommission bei Elektroautos. Europa müsse seine Industrie gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen.

Die EU-Kommission begründet die Zölle damit, dass Elektroautobauer in China von Subventionen profitierten und deswegen ihre Fahrzeuge günstiger herstellen könnten als Autobauer in der Europäischen Union. Damit drohten den heimischen Herstellern Schäden. Die EU-Kommission hat zugleich deutlich gemacht, dass sie weiterhin mit der chinesischen Regierung über eine politische Lösung verhandeln will. Insidern zufolge könnte es dabei um Mindestpreise für Importfahrzeuge oder Investitionen in der EU gehen.

(Mitarbeit von Belen Carrero in Madrid, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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