(neu: Baerbock Äußerungen in Syrien, Scholz, Syrischer Außenminister) |
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Baerbock mit französischem Kollege Barrot in Syrien |
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Erster Besuch von EU-Ministern seit Machtwechsel in Damaskus |
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Baerbock: Kommen mit ausgestreckter Hand, aber auch Erwartungen |
Damakskus/Berlin/Paris, 03. Jan (Reuters) - |
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noel Barrot loten im Auftrag der EU in Damaskus eine Zusammenarbeit mit den neuen syrischen Machthabern aus. Die Grünen-Politikerin erklärte am Freitag, sie komme mit ausgestreckter Hand, aber auch mit klaren Erwartungen. "Den Neuanfang kann es nur geben, wenn die neue syrische Gesellschaft allen Syrerinnen und Syrern, Frauen wie Männern, gleich welcher ethnischen oder religiösen Gruppe, einen Platz im politischen Prozess einräumt, Rechte gewährt und Schutz bietet." Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und dem jahrelangen Bürgerkrieg schöpfe Syrien Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Barrot sagte, er hoffe auf ein "souveränes, stabiles und friedliches Syrien". Die Minister sprechen unter anderem mit De-facto-Machthaber Ahmed al-Scharaa von der islamistischen HTS-Miliz, die noch auf der Terrorliste unter anderem der EU steht. Syriens Außenminister Asaad Hassan Al-Shibani sicherte bei einem Besuch in Saudi-Arabien zu, man wolle eine Regierung unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen bilden.
Knapp einen Monat nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar |
al-Assad sind Baerbock und Barrot die ersten EU-Minister, die Syrien nach dem |
Machtwechsel besuchen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Rande eines |
Unternehmensbesuches in Deutschland, man stehe im intensiven Kontakt mit den |
neuen Machthabern und wolle sehen, wie man die Beziehungen weiter entwickeln |
könne. Auch er verwies darauf, dass alle Bevölkerungsgruppen in Syrien |
berücksichtigt werden müssten. |
Baerbock besuchte zunächst das berüchtigte Foltergefängnis Seidnaja in |
der Nähe von Damaskus. Sie würdigte dort die Arbeit der sogenannten Weißhelme, |
einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die in nicht von Assad |
kontrollierten Gebieten humanitäre und medizinische Hilfe geleistet hatte. Die |
Verbrechen des Assad-Regimes müssten weiter aufgeklärt werde und dürften nicht |
ungesühnt bleiben. "Wir können alle als internationale Gemeinschaft dazu |
beitragen, dass es zu Gerechtigkeit kommt", sagte sei. Beweise würden gesammelt. |
Sednaja gilt als Sinnbild für die Unterdrückung der Opposition unter Assad. Die |
Freilassung der Gefangenen dort und auch anderer Haftanstalten wurde ausgelassen |
gefeiert. |
NOCH UNKLARHEIT ÜBER POLITISCHE ZIELE DER NEUEN MACHTHABER |
Am 8. Dezember hatten Aufständische unter der Führung der HTS nach einer |
nur wenige Tage dauernden Offensive die Kontrolle über Damaskus übernommen und |
die jahrzehntelange autokratische Herrschaft der Familie Assad beendet. Die in |
der Vergangenheit mit Al-Kaida und dem Islamischen Staat verbündete HTS |
demonstriert seitdem Mäßigung und den Willen, sämtliche Gruppen des |
Vielvölkerstaats Syrien zu respektieren. Daran gibt es jedoch Zweifel. |
"Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der |
Vergangenheit getan hat", erklärte Baerbock. "Wir hören und sehen aber auch den |
Wunsch nach Mäßigung und nach Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren." Die |
Aufnahme erster Gespräche mit den kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces |
(SDF) sei ein wichtiges Zeichen in diese Richtung. "Wir werden die HTS weiter an |
ihren Taten messen. Bei aller Skepsis dürfen wir jetzt nicht die Chance |
verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu |
unterstützen." |
Syriens Außenminister Al-Shibani betonte während eines Besuch in |
Saudi-Arabien auf der Plattform X: "Bei unserem Besuch haben wir unsere Vision |
einer Regierung vermittelt, die auf Partnerschaft und Effizienz unter Einschluss |
aller syrischen Gruppen setzt." Ziel sei ein Plan für eine wirtschaftliche |
Entwicklung mit Investitionen und strategischen Partnerschaften, um die |
Lebensbedingungen zu verbessern. |
Baerbock sagte ferner, es sei Zeit für Russland, seine |
Militärstützpunkte in Syrien zu räumen. Es sei der russische Präsident Wladimir |
Putin gewesen, der Assad so lange gestützt habe, der die Verbrechen des Regimes |
gedeckt und unterstützt habe. "Das syrische Volk wird die massiven Bombardements |
und Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen." Russland stand jahrelang hinter |
Assad und hat militärisch zugunsten des Machthabers in dem insgesamt 13 Jahre |
währenden Bürgerkrieg eingegriffen. Assad ist nach Russland geflohen. |
(Bericht von Miranda Murray und Christian Götz, Markus Wacket in Berlin, John Irish und Dominique Vidalon in Paris, Claudia Tanios in Duba, redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)