(Neu: Mehr Netanjahu, Insider zu Chamenei, weitere Entwicklungen)
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Wohnhäuser in Teheran und in Tel Aviv getroffen
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Netanjahu: "Iran wird hohen Preis zahlen"
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Insider: Trump gegen israelischen Plan zur Tötung von Chamenei
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Iran: Geheimdienstchef der Revolutionsgarden getötet |
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Gespanntes Warten auf Finanzmärkte - Ölpreis im Blick |
- von Parisa Hafezi und Maayan Lubell |
Jerusalem/Dubai, 15. Jun (Reuters) - Israel und Iran |
haben ihre wechselseitigen Angriffe am Sonntag fortgesetzt. |
Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte auf beiden Seiten. |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte einen |
Regimewechsel im Iran als mögliches Ergebnis der Angriffe, mit |
denen Israel eine "existenzielle Bedrohung" abwehre. Die |
iranische Führung hat Israel wiederholt das Existenzrecht |
abgesprochen, weist jedoch Vorwürfe zurück, sie strebe nach |
Atomwaffen. Die israelische Fluggesellschaft El Al |
sagte sämtliche Flüge zunächst bis zum 19. Juni ab und kündigte |
eine Annullierung zumindest einiger weiterer Flüge nach Europa |
bis zum 23. Juni an. |
Insidern zufolge lehnte US-Präsident Donald Trump einen israelischen Plan zur Tötung von Irans Oberstem Führer Ajatollah Ali Chamenei ab. Zuvor habe Israel den USA mitgeteilt, es habe Möglichkeit, Chamenei zu töten, sagten zwei hochrangige US-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Trump habe dies jedoch abgelehnt. "Haben die Iraner schon einen Amerikaner getötet? Nein. Solange sie das nicht tun, reden wir nicht einmal darüber, die politische Führung anzugreifen", sagte einer der Insider. Netanjahu sagte dazu dem US-Sender Fox News: "Es gibt so viele falsche Berichte über Gespräche, die nie stattgefunden haben, und ich werde nicht darauf eingehen." Ein Regimewechsel im Iran infolge der Angriffe sei jedoch möglich.
Unterdessen starben bei israelischen Angriffen nach iranischen Angaben weitere hochrangige Vertreter des iranischen Sicherheitsapparats. Der Chef des Geheimdiensts der Revolutionsgarden, Mohammad Kasemi, und sein Stellvertreter seien am Sonntag getötet worden, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim.
In der israelischen Stadt Bat Jam südlich von Tel Aviv wurden Wohnhäuser und mehrstöckige Gebäude bei iranischen Angriffen getroffen. Mindestens zehn Menschen starben, darunter Kinder. Der Iran meldete seit Freitag mindestens 138 Todesopfer durch israelische Angriffe. Am Samstag seien 60 Menschen getötet worden, als eine Rakete ein 14-stöckiges Wohnhaus in Teheran zum Einsturz brachte. Die Hälfte der Opfer seien Kinder gewesen.
Netanjahu sagte bei einem Besuch in Bat Jam: "Der Iran wird einen hohen Preis für die Ermordung von Zivilisten, Frauen und Kindern zahlen." Rettungsteams durchsuchten mit Spürhunden und Baggern die Trümmer zerstörter Wohngebäude nach Überlebenden. Nach Militärangaben griff Israel in der Nacht zum Sonntag 80 Ziele an, darunter das Hauptquartier des iranischen Verteidigungsministeriums, Nuklearanlagen und zwei Treibstoffanlagen. Israel habe noch eine lange Liste von Zielen im Iran.
Der iranische Präsident Massud Peseschkian warnte, die Reaktionen seines Landes würden "entschiedener und härter" ausfallen, sollten Israels feindliche Handlungen andauern. Israelischen Angaben zufolge durchdrangen binnen zweier Nächte 22 von 270 iranischen Raketen den israelischen Abwehrschirm. In Jerusalem und Haifa heulten wiederholt Luftschutzsirenen, wodurch etwa eine Million Menschen in Bunker flüchteten. In Tel Aviv und Jerusalem waren Explosionen zu hören, während Raketen über den Himmel flogen und Abfangraketen eingesetzt wurden.
US-Präsident Donald Trump lobte die israelische Offensive und bestritt iranische Vorwürfe einer US-Beteiligung. Er warnte Teheran davor, seine Vergeltungsmaßnahmen auf US-Einrichtungen auszuweiten. "Wenn wir in irgendeiner Weise vom Iran angegriffen werden, wird die volle Stärke und Macht der US-Streitkräfte auf euch niedergehen, in einem Ausmaß, das nie zuvor gesehen wurde." Trump fügte aber hinzu: "Wir können leicht ein Abkommen zwischen dem Iran und Israel erreichen und diesen blutigen Konflikt beenden."
Bundeskanzler Friedrich Merz stellte sich auf die Seite Israels. "Der Fortschritt des Irans auf dem Weg zur Atomwaffe hat dazu geführt, dass Israel am Freitag militärische Ziele im Iran angegriffen hat", sagte Merz am Sonntag vor seiner Abreise zum G7-Gipfel in Kanada. Für ihn sei klar, dass der Iran keine Nuklearwaffen besitzen dürfe. Dies wäre eine existenzielle Bedrohung Israels, des Nahen Ostens und der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt. Wie andere Staaten auch forderte Merz die Wiederaufnahme der Diplomatie.
Vor der jüngsten Eskalation hatten die USA mit dem Iran verhandelt, um eine Zusage zur drastischen Einschränkung seines Atomprogramms zu erhalten. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi beschuldigte Israel, diese Gespräche sabotieren zu wollen. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hatte am Donnerstag erklärt, der Iran verstoße gegen Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag. Israel, das den Vertrag nicht unterzeichnet hat und dem der Besitz von Atomwaffen nachgesagt wird, will verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Die Regierung in Teheran hat erklärt, das Atomprogramm diene ausschließlich zivilen Zielen.
Die Sorge vor möglichen Störungen der Ölexporte aus der Region hatte die Ölpreise am Freitag bereits um neun Prozent steigen lassen. Israel hatte dann am Samstag erstmals Anlagen der iranischen Öl- und Gasindustrie angegriffen. Dabei wurde nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim die Produktion im Gasfeld Süd-Pars teilweise ausgesetzt. Süd-Pars in der Provinz Buschehr ist das größte Gasfeld der Welt und die Quelle für den Großteil des im Iran produzierten Gases.
Mit Spannung warteten Investoren auf die Öffnung der weltweiten Finanzmärkte am Montag. Die Aktienmärkte in der Region hingegen öffneten am Sonntag zum ersten Mal seit den israelischen Angriffen. Die Börse in Tel Aviv schloss am Sonntag nach vorübergehenden Kursverlusten mit einem Plus von 0,4 Prozent.
(Bericht von Steve Holland, Maayan Lubell, Parisa Hafezi, Ahmed Tolba, geschrieben von Alexander Ratz und Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)