München, 11. Dez (Reuters) - Ein in der Ostsee havarierter Öltanker, der der russischen "Schattenflotte" zugerechnet wird, und seine Ladung dürfen nach einem Beschluss des Bundesfinanzhofs vorerst nicht vom deutschen Zoll verwertet werden. Das oberste deutsche Steuergericht habe den Antrag des Schiffseigners auf eine einstweilige Verfügung bestätigt, teilte der BFH am Donnerstag mit.
Das unter panamaischer Flagge fahrende Schiff mit dem Namen "Eventin" war im Januar auf dem Weg von Russland nach Indien mit 100.000 Tonnen Öl an Bord in der Ostsee manövrierunfähig geworden und in deutsche Hoheitsgewässer getrieben. Von den deutschen Behörden wurde es daraufhin in den Hafen Sassnitz auf der Insel Rügen geschleppt, wo es inzwischen auf einer Gefahrgut-Reede liegt.
Das zuständige Hauptzollamt wollte den Tanker sicherstellen sowie ihn und seine Ladung auf Grundlage der EU-Sanktionen gegen Russland einziehen und verwerten lassen. Allein das Öl ist rund 40 Millionen Euro wert. Dagegen wehrte sich der Eigentümer des Schiffes.
Der BFH äußerte wie zuvor das Finanzgericht Zweifel, ob die Maßnahmen des Zolls rechtmäßig sind. So sei unklar, ob die Sanktionsverordnung auch für Schiffe gelten könne, die nicht absichtlich in EU-Gewässer gelangt seien, sondern nur weil sie manövrierunfähig seien. Zudem komme in diesem Fall das Völkerrecht ins Spiel, nach dem havarierte Schiffe einen sicheren "Nothafen" nutzen dürfen. Bezüglich des Öls sei unklar, ob dieses auch beim Auslaufen aus einem solchen "Nothafen" beschlagnahmt werden dürfe.
Die sogenannte Schattenflotte wurde in die Sanktionen der EU einbezogen, weil diese oft schrottreifen Schiffe im Verdacht stehen, zur Umgehung von Sanktionen gegen Russland benutzt zu werden, aber auch für Spionage- und Sabotageaktionen in der Ostsee.
Das Bundesfinanzministerium betonte, der BFH habe keine abschließende Bewertung vorgenommen. Man sei noch dabei, das Urteil zu prüfen, erklärte eine Sprecherin. "Aktuell prüft die Zollverwaltung die Herbeiführung eines Urteils zur Rechtmäßigkeit der Einziehung im Rahmen eines gerichtlichen Hauptverfahrens."
(Bericht von Alexander Hübner und Ludwig Burger, redigiert von Thomas Seythal)