Frankfurt, 11. Dez (Reuters) - Führende Vertreter von Industrie und Gewerkschaften haben von der Bundesregierung rasche und wirksame Schritte zur Rettung der kriselnden deutschen Chemieindustrie gefordert. Man brauche eine Art "Notarzt-Management", sagte IGBCE-Chef Michael Vassiliadis am Donnerstag in Berlin anlässlich eines Treffens mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zum Auftakt der "Chemieagenda 2045". Der Präsident des Branchenverbands VCI, Markus Steilemann, mahnte, es fehle nicht an Ideen, sondern an schneller Umsetzung. Die Branche befinde sich "im fünften Jahr in Folge in einer Strukturkrise", sagte Reiche und verwies auf hohe Energiepreise, Bürokratie und internationale Konkurrenz. Deutschland müsse aber auch hausgemachte Probleme lösen.
Vassiliadis warnte vor einem weiteren Aderlass. "Wenn wir nicht schnell genug sind, wird es einige Teile der Industrie nicht mehr geben, die wir eigentlich transformieren wollen", sagte der Gewerkschaftschef. Produktionskapazitäten und Arbeitsplätze gingen bereits verloren. "Ich verliere derzeit massenhaft Jobs, die aber nicht auf der Welt verloren gehen, sondern nur hier." Steilemann forderte, Entlastungen müssten an den "Werkstoren ankommen". Die Bundesregierung werde man daran messen. Die Unternehmen stünden bereit: "Wir wollen investieren, wir wollen innovieren und wir wollen kräftiges Wachstum in Deutschland wieder zur Normalität machen."
CDU-Politikerin Reiche hob die zentrale Bedeutung des Sektors hevor, den sie als "Herz-Kreislauf-System der deutschen Volkswirtschaft" bezeichnete. Mit der "Chemieagenda 2045" solle der Standort wieder wettbewerbsfähig gemacht werden, sagte die Ministerin. Die Agenda fokussiert sich auf drei Felder: einen wettbewerbsfähigen Rechtsrahmen, eine zukunftsfähige Grundstoffchemie sowie Innovationen und Künstliche Intelligenz.
Als eine Sofortmaßnahme verwies Reiche auf die Ausweitung der Strompreiskompensation auf nun 31 Sektoren, was auch die organische Chemie und Chemieparks entlaste. Die Arbeitsgruppen zur Chemieagenda starten im Januar, ein gemeinsames Abschlusspapier ist für Ende des ersten Quartals vorgesehen. Ziel sei es, so Reiche, dass "Made in Germany auch in 20 Jahren für Qualität, Innovation und Weltrang steht".
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)