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26.11.2025 /13:47:48
STICHWORT-Das Ringen um den Weg zum klimafreundlichen Auto in Europa

26. Nov (Reuters) - Als die Europäische Kommission vor vier Jahren den "Green Deal" vorstellte mit dem Ziel, ab 2035 nur noch Neuwagen ohne CO2-Emissionen zuzulassen, war die Autoindustrie noch zuversichtlich. Der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf das E-Auto mit Batterieantrieb sollte zügig gehen, die Unternehmen setzten sich ambitionierte Elektro-Ziele. Doch der Absatz entwickelt sich aus unterschiedlichen Gründen nicht so, wie ursprünglich geplant. Das Ziel, in zehn Jahren vollständig auf Elektroautos umzusteigen, rückt in die Ferne. Entsprechend laut sind die Rufe, die Vorgaben abzumildern. Am 10. Dezember legt die EU-Kommission zu den CO2-Grenzwerten für Neuwagenflotten einen Änderungsvorschlag vor. Das dürfte auch Thema sein bei dem am Mittwoch stattfindenden Strategiedialog Automobilindustrie Baden-Württemberg mit Bundeskanzler Friedrich Merz, EU-Industriekommissar Stephane Séjourné, Gewerkschaftern und Autobossen. Nachfolgend einige Fakten zum Hintergrund:

WAS SIEHT DIE JETZIGE EU-REGELUNG VOR?

Derzeit gelten die im März 2023 vom Europäischen Rat verabschiedeten Emissionsvorschriften. Demnach muss der CO2-Ausstoß im europaweiten Flottendurchschnitt ab 2030 um 55 Prozent gesenkt werden, verglichen mit dem Jahr 2021, das wären im Schnitt 43 Gramm pro Kilometer. Ab 2035 dürfen Autos gar kein CO2 mehr ausstoßen. Die EU-Kommission will so Klimaneutralität ab 2050 erreichen: Unter der Annahme, dass ein Auto nach 15 Jahren verschrottet ist, wären dann die letzten Verbrenner von Europas Straßen verschwunden. Die Bundesregierung hatte 2023 einen Passus durchgesetzt, dass auch nach 2035 Verbrennerfahrzeuge erlaubt bleiben, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden können.

Im Frühjahr war die EU den Autobauern bereits etwas entgegengekommen. Die CO2-Emissionen von Neuwagen sollten in diesem Jahr auf durchschnittlich 94 Gramm je Kilometer sinken, von 116 Gramm 2024. Die Autobauer bekamen mehr Zeit bis 2027, den Rückgang zu schaffen. Der europäische Herstellerverband ACEA hatte gewarnt, sonst wären 15 Milliarden Euro an Bußgeld wegen Verfehlens des Zielwertes fällig gewesen.

WIE STEHT ES UM DIE ZIELE DER AUTOBAUER?

Die Autobauer setzten sich Anfang des Jahrzehnts Absatzziele für E-Autos, um die EU-Klimaschutzziele zu erreichen. So wollte Mercedes-Benz <MBGn.DE> ab 2030 nur noch Elektroautos verkaufen - dort, wo es die Marktbedingungen zulassen. Volkswagen <VOWG.DE> wollte in Europa mindestens 70 Prozent Stromer absetzen. Porsche <P911_p.DE> ging sogar davon aus, dass dann vier von fünf verkauften Neuwagen mit Elektroantrieb fahren. BMW <BMWG.DE> setzte sich ein niedrigeres Ziel mit 50 Prozent Elektroanteil.

Doch die Annahmen der Hersteller entpuppten sich als zu optimistisch. Der Absatz von Elektroautos wuchs langsamer als ursprünglich geplant, denn in Deutschland wurde die staatliche Kaufprämie Ende 2023 gestrichen, die Ladeinfrastruktur wird nicht als ausreichend wahrgenommen und günstige Einstiegsmodelle fehlten lange. Europaweit kamen Elektroautos in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres auf gerade einmal 16,4 Prozent Marktanteil, wie aus Daten des Branchenverbandes ACEA hervorgeht. Für die aktuelle Vorschrift wären 25 Prozent nötig.

Die Hersteller stellten sich auf die schwache Nachfrage ein. Porsche und Volkswagen kippten die Absatzziele für E-Autos. Mercedes reduzierte sie 2024 auf "mindestens 50 Prozent elektrifizierte" Autos, also inklusive Plug-in-Hybride, und will Verbrenner "bis weit in die 2030er-Jahre" bauen. Auch Porsche kündigte an, neue Verbrenner zu entwickeln. BMW hielt an seinem Ziel fest.

Per Ende Oktober lag die E-Autoquote von Porsche für 2025 bei 23 Prozent, von BMW bei 18 Prozent, im VW-Konzern bei elf Prozent und von Mercedes-Benz bei knapp neun Prozent.

WAS WILL DIE AUTOINDUSTRIE AN ÄNDERUNGEN ERREICHEN?

Entsprechend pocht die Autoindustrie auf eine Abkehr vom Plan eines faktischen "Verbrennerverbots" 2035 und will das harte Datum kippen. Stattdessen sollen Plug-in-Hybride, die neben einem Verbrennungsmotor über einen Elektroantrieb verfügen und extern geladen werden können, oder Range-Extender, also Elektroautos mit einem kleinen Benzingenerator an Bord, auch nach 2035 noch zugelassen werden können. Das Emissionsziel soll nach einem Vorschlag des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) von 100 Prozent auf 90 Prozent reduziert werden. Zugleich sollen die Kraftstoffanbieter verstärkt in die Pflicht genommen werden, klimaneutrale Kraftstoffe anzubieten.

Umweltlobbyisten wie Transport & Environment verweisen jedoch darauf, dass viele Hybridfahrzeuge im Praxisbetrieb nur selten geladen werden und damit vergleichsweise viel CO2 ausstoßen. Zudem mangelt es zumindest derzeit an synthetischen Kraftstoffen, die außerdem noch sehr teuer sind.

(Zusammengesetellt von Christina Amann, Ilona Wissenbach, Christoph Steitz und Rachel More, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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