London, 26. Nov (Reuters) - Die britische Regierung plant erneut umfangreiche Steuererhöhungen. Wie aus einem am Mittwoch versehentlich zu früh veröffentlichten Bericht der Haushaltsbehörde (Office for Budget Responsibility, OBR) hervorgeht, dürften die Maßnahmen bis zum Steuerjahr 2029/30 geschätzt 26,1 Milliarden Pfund (knapp 30 Milliarden Euro) pro Jahr zusätzlich in die Staatskasse spülen. Davon sollen 15 Milliarden Pfund aus einer höheren Besteuerung von Privatpersonen und 11,1 Milliarden aus anderen Steuern stammen. Im Vorfeld hatten Ökonomen mit Steuererhöhungen im Umfang von 20 bis 30 Milliarden Pfund gerechnet.
Noch vor einem Jahr hatte Finanzministerin Rachel Reeves erklärt, die öffentlichen Finanzen seien stabilisiert und es werde keine weiteren Steuererhöhungen geben. Damals wurden Steuererhöhungen im Volumen von 40 Milliarden Pfund angeordnet - mit dem Hinweis, dies werde eine Ausnahme bleiben. Es war damals die größte Anhebung seit den 1990er Jahren.
Reeves hatte im Vorfeld ihrer Rede am Mittwoch im Parlament bereits gesagt, die Regierung wolle Menschen mit ihren hohen Lebenshaltungskosten nicht alleine lassen, gleichzeitig aber auch das Haushaltsdefizit verringern. Es werde keine neue Sparwelle geben. Die öffentlichen Finanzen in Großbritannien sind unter Druck, weil der demografische Wandel immer stärker zu spüren ist und die Verteidigungskosten steigen. Außerdem hat die Wirtschaft seit dem EU-Austritt immer wieder geschwächelt.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge sind nur neun Prozent der Briten mit der Arbeit von Reeves zufrieden, während 61 Prozent sie ablehnen. Auch in ihrer eigenen Labour-Partei wächst die Unruhe über den Kurs der Regierung. Zur Verunsicherung von Investoren und Wählern hatten zuletzt auch widersprüchliche Signale von Reeves und Premierminister Keir Starmer zur Steuerpolitik beigetragen. Die nächste Parlamentswahl in Großbritannien steht allerdings nicht vor 2029 an.
(Bericht vom Reuters-Büro in London, geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)