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Koalitionsausschuss soll Thema behandeln
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Kanzler: Wir fallen nicht hinter Ministerpräsidenten zurück
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| Kretschmann pocht auf "local content"-Regelung |
| (Neu: mehr Merz, Kretschmann und Séjourné) |
| Stuttgart/Berlin, 26. Nov (Reuters) - Kanzler Friedrich |
| Merz hat angekündigt, dass sich die Bundesregierung auf eine |
| weitgehende Lockerung des faktischen Verbrennerverbotes ab 2035 |
| festlegen will. "Wir werden morgen Abend noch einmal in der |
| Koalition über unsere abschließende Haltung beraten", sagte Merz |
| am Mittwoch beim Autostrategie-Dialog in Stuttgart mit Blick auf |
| den Koalitionsausschuss. "Ich will dem nicht vorgreifen, was wir |
| morgen Abend noch zu besprechen haben. Aber wir werden nicht |
| hinter die Position der Ministerpräsidentenkonferenz von Ende |
| September zurückgehen." |
Die Regierungschefs der Länder hatten gefordert, dass auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die mit klimafreundlichen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden, nach 2035 neu zugelassen werden können. Die schwarz-rote Koalition hatte sich bisher nur auf die Forderung nach einer Zulassung von Hybridantrieben und Range Extendern geeinigt. Diese kombinieren Elektro- mit kleinen Verbrennungsmotoren, um so eine höhere Reichweite zu erzielen.
Merz kündigte an, dass er sofort nach dem Koalitionsausschuss einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa schreiben werde. Man werde damit eine deutsche Position haben, bevor die EU-Kommission am 10. Dezember ihre Vorschläge zur Änderung der seit zwei Jahren geltenden Vorschriften vorlegen werde.
Vor allem die Ministerpräsidenten der Autoländer hatten eine faktische Abkehr von dem EU-Verbot gefordert, dass nach 2035 keine Autos mit CO2-Emissionen mehr zugelassen werden dürfen. Grund ist die angeschlagene Autoindustrie und die Unsicherheit, ob es nach 2035 nicht noch einen großen Bedarf weltweit an Autos mit Verbrennungsmotoren gibt. Zugleich haben sowohl die Bundesregierung und die Länder aber betont, dass die E-Mobilität Vorrang haben soll. Schon bei Hybrid-Autos und Range-Extendern wurde argumentiert, dass die Erlaubnis für Autos mit niedrigen CO2-Emissionen besser sei als ein Abwandern der Fahrzeugproduktion aus Deutschland.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Stéphane Séjourné, betonte, dass auch die Brüsseler Behörde bei ihrem Vorschlag am im Dezember auf Technologieoffenheit setzen werde. Die EU wolle pragmatisch und flexibel sein. "Ich denke insbesondere an die technologische Neutralität als Prinzip, an bestimmte Technologien, die auch nach 2035 zugelassen werden könnten", deutete der Industriekommissar eine Kursänderung an, nicht länger nur auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen. Die EU sei außerdem besorgt über die wachsende Konkurrenz durch chinesische Autobauer und Batterieproduzenten in Europa. "Es gibt Beispiele in Europa, wo Arbeitskräfte direkt aus Asien kommen, und das breitet sich aus. Diesem Konzept wollen wir nicht folgen", sagte der EU-Kommissar.
| Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried |
| Kretschmann (Grüne) sagte, in dem seit 2017 laufenden jährlichen |
| Strategiedialog sei auch ausführlich über EU-Anforderungen |
| gesprochen worden, dass ein bestimmter Teil der Fahrzeuge in der |
| EU selbst produziert werden müsse. "Wenn alle anderen die |
| Spielregeln eklatant verletzen und somit Kernindustrien von uns |
| in Gefahr geraten, dann müssen wir uns auch wehren", sagte |
| Kretschmann. Dies sei mit dem Stichwort "Local Content" gemeint. |
Der Kanzler machte zugleich klar, welche zentrale Bedeutung die Autobranche für den Industriestandort Deutschland habe. Jetzt drohe der Verlust hochproduktiver Arbeitsplätze in einer Industrie mit sehr hoher Energieabhängigkeit. "Wir sind nicht bereit, dieses Schicksal ein zweites Mal für den Industriestandort Deutschland zu akzeptieren", sagte er mit Hinweis auf den Verlust der Textil- und Schuhindustrie vor 50 Jahren.
(Bericht von Reuters TV und Andreas Rinke, Ilona Wissenbach, redigiert von Scot W. Stevenson)