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28.11.2025 /18:30:25
FOKUS 2-Selenskyjs Stabschef tritt im Zuge von Korruptionsermittlungen zurück

(Neu: Rücktritt Jermak, Infos zum Friedensplan)

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Stabschef Jermak sichert uneingeschränkte Kooperation zu



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Durchsuchung auch in Jermaks Wohnung



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Behörden Nabu und Sapo: Duchsuchung im Rahmen von Ermittlungen





Kiew, 28. Nov (Reuters) - Der Stabschef des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist im Zuge von
Korruptionsermittlungen zurückgetreten. Nachdem die ukrainischen
Anti-Korruptionsbehörden am Freitag das Büro und die Wohnung des
Chefunterhändlers und Selenskyj-Vertrauten Adrij Jermak
durchsucht hatten, bat dieser nur Stunden späterSelenskyj um
seine Entlassung. Der Präsident nahm diese an, wie er selbst
bekanntgab. Die Durchsuchungen und der Rücktritt verschärfen die
Spannungen zwischen Selenskyj und seinen politischen Gegnern.
Gleichzeitig steht die Regierung unter Druck, ein von den USA
unterstütztes Friedensabkommen im Krieg mit Russland zu
akzeptieren. Bei diesen Gesprächen war Jermak eine der
wichtigsten Figuren. "Russland wünscht sich sehr, dass die
Ukraine Fehler macht", sagte Selenskyj in einer Videoansprache.
"Von unserer Seite werden keine Fehler passieren. Unsere Arbeit
geht weiter." Er kündigte an, am Samstag über einen Nachfolger
zu beraten.

Die Durchsuchungen bei Jermak seien genehmigt und stünden im Zusammenhang mit einer nicht näher bezeichneten Untersuchung, teilten das Nationale Anti-Korruptionsbüro der Ukraine (Nabu) und die Spezialisierte Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) in einer gemeinsamen Erklärung mit. Jermak selbst schrieb auf Telegram, dass Durchsuchungen in seiner Wohnung stattfänden und er uneingeschränkt kooperiere.

Der 54-jährige Jermak war seit Selenskyjs Zeit als Fernsehkomiker ein enger Freund des Präsidenten und half bei dessen erfolgreicher Präsidentschaftskampagne 2019. Präsident Selenskyj und seine Regierung stehen wegen Korruptionsvorwürfen in der Energiebranche seit Wochen unter Druck. In diesem Zusammenhang wurden Energieministerin Switlana Hryntschuk und Justizminister Herman Haluschtschenko, der zuvor selbst das Energieressort geleitet hatte, entlassen.

Anfang des Monats hatten die beiden Behörden eine weitreichende Untersuchung zu einem mutmaßlichen Schmiergeldsystem im Umfang von rund 87 Millionen Euro beim staatlichen Atomenergiekonzern Energoatom aufgedeckt. Darin sollen frühere ranghohe Verwaltungsmitarbeiter und ein ehemaliger Geschäftspartner Selenskyjs verwickelt sein. Jermak wurde in dieser Untersuchung nicht als Verdächtiger genannt. Abgeordnete der Opposition und einige Mitglieder von Selenskyjs eigener Partei Diener des Volkes hatten jedoch Jermaks Entlassung im Rahmen der schwersten politischen Krise in der Ukraine während des Krieges gefordert. Die oppositionelle Partei Europäische Solidarität forderte am Freitag erneut Jermaks Entlassung und seine Entfernung aus dem Verhandlungsteam sowie eine neue Koalitionsregierung.

Am Donnerstag hatte Präsident Wladimir Putin erklärt, ein durchgesickerter 28-Punkte-US-Plan könne eine Grundlage für künftige Vereinbarungen sein. Er forderte, Kiew müsse Truppen aus östlichen Gebieten abziehen, bevor Moskau die Kämpfe einstelle. Jermak hatte diese Woche dem Magazin "The Atlantic" gesagt: "Niemand solle damit rechnen, dass wir Territorium aufgeben."

Der Kampf gegen die Korruption und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im Land wiederum ist eine wesentliche Voraussetzung für den von der Ukraine angestrebten Beitritt zur Europäischen Union. Dieser wird von den Ukrainern als entscheidend für die Zukunft des Landes im Abwehrkampf gegen die russische Invasion angesehen. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, Brüssel werde die Situation weiterhin genau beobachten.

Selenskyj selbst hatte im Zuge der Ermittlungen gegen mehrere Mitarbeiter des staatlichen Atomkonzerns Energoatom die Entlassung von Hryntschuk und Haluschtschenko gefordert. Korruptionsvorwürfe im Energiesektor sind in der ukrainischen Öffentlichkeit besonders heikel. Weite Teile des Landes sind wegen der massiven russischen Angriffe auf die Infrastruktur mit täglichen, stundenlangen Stromausfällen konfrontiert. Im Winter fällt dadurch immer wieder die Heizung aus.

Noch im Juli 2025 hatten Proteste und internationale Kritik Selenskyj gezwungen, die Unabhängigkeit der beiden wichtigsten Anti-Korruptionsbehörden des Landes wiederherzustellen. Zuvor hatte die Regierung versucht, deren Befugnisse einzuschränken. Die beiden Anti-Korruptionsbehörden haben ihre Kampagne während der russischen Invasion verstärkt, erklärten jedoch, sie stünden unter Druck von Interessengruppen.

(Bericht von: Pavel Polityuk, Dan Peleschuk, geschrieben von Sabine Ehrhardt und Isabelle Noack, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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