London, 30. Nov (Reuters) - Großbritanniens Finanzministerin Rachel Reeves hat den Vorwurf zurückgewiesen, sie habe die Öffentlichkeit vor der Verabschiedung des Haushalts in die Irre geführt. Sie sei ehrlich gewesen bezüglich der Notwendigkeit, einen größeren finanziellen Puffer aufzubauen, sagte die Labour-Politikerin am Sonntag dem Sender Sky News. Die oppositionelle Konservative Partei hatte Reeves zum Rücktritt aufgefordert, weil sie die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage getäuscht habe.
Der Vorwurf bezieht sich auf eine Rede von Reeves am 4. November. Darin schien sie den Boden dafür zu bereiten, das Wahlversprechen ihrer Partei zu brechen und die Einkommensteuersätze zu erhöhen. Sie verwies dabei auf eine "schwächer als bisher angenommene" Produktivitätsentwicklung. In einem am Freitag veröffentlichten Schreiben erklärte jedoch der Chef des unabhängigen Haushaltswächters Office for Budget Responsibility (OBR), dass die der Regierung zuvor zur Verfügung gestellten Prognosen auch positive Faktoren wie gestiegene Reallöhne und eine höhere Inflation enthielten, die Reeves nicht erwähnt hatte. Diesen vertraulichen Prognosen zufolge hätte Reeves ihre Haushaltsziele mit einem Spielraum von 4,2 Milliarden Pfund erreicht.
Reeves erklärte am Sonntag, dieser Puffer sei ihre Hauptsorge gewesen, da er im historischen Vergleich sehr gering ausgefallen wäre. "Der Überschuss von etwas mehr als vier Milliarden Pfund war nicht genug. Der Spielraum hätte nicht ausgereicht und er hätte der Bank von England keinen Raum gegeben, die Zinssätze weiter zu senken."
Reeves hatte am Mittwoch in ihrer Haushaltsrede vor dem Parlament erneut Steuererhöhungen angekündigt. Sie dürften bis zum Steuerjahr 2029/30 geschätzt 26,1 Milliarden Pfund (knapp 30 Milliarden Euro) pro Jahr zusätzlich in die Staatskasse spülen. Davon sollen 15 Milliarden Pfund aus einer höheren Besteuerung von Privatpersonen und 11,1 Milliarden aus anderen Steuern stammen. Im Vorfeld hatten Ökonomen mit Steuererhöhungen im Umfang von 20 bis 30 Milliarden Pfund gerechnet. Noch vor einem Jahr hatte Reeves erklärt, die öffentlichen Finanzen seien stabilisiert und es werde keine weiteren Steuererhöhungen geben. Damals wurden Steuererhöhungen im Volumen von 40 Milliarden Pfund angeordnet - mit dem Hinweis, dies werde eine Ausnahme bleiben. Es war damals die größte Anhebung seit den 1990er Jahren.
(Bericht von Andy Bruce, geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)