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30.11.2025 /14:41:58
FOKUS 1-Netanjahu bittet Präsidenten offiziell um Begnadigung

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Ungewöhnlicher Schritt vor Ende des Korruptionsprozesses



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Kein Schuldeingeständnis, Netanjahu hält sich für unschuldig



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Opposition gegen Begnadigung ohne Geständnis und Rückzug
 
(neu: Reaktionen, Hintergrund)
Jerusalem, 30. Nov (Reuters) - Israels Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu hat Präsident Isaac Herzog offiziell um
Begnadigung gebeten. Ein entsprechendes Gesuch sei eingereicht
worden, teilte das Büro des israelischen Präsidenten am Sonntag
mit. Es handele sich um ein außergewöhnliches Anliegen mit
weitreichenden Konsequenzen. "Nach Eingang aller relevanten
Stellungnahmen wird der Präsident das Anliegen
verantwortungsvoll und gewissenhaft prüfen", teilte das
Präsidialamt mit. Netanjahu erklärte in einer Stellungnahme per
Video, dass durch ein sofortiges Ende des Prozesses gegen ihn
die dringend notwendige nationale Versöhnung vorangetrieben
werde.

Gegen Netanjahu läuft seit Jahren ein Prozess wegen des Vorwurfs der Korruption und Einflussnahme. Ihm und seiner Frau wird vorgeworfen, in großem Stil Geschenke angenommen zu haben. Zudem soll der Regierungschef Einfluss auf die Berichterstattung von "Jedi'ot Achronot", der größten Zeitung in Israel, genommen haben. Netanjahu bestreitet die Vorwürfe.

Netanjahu ist der am längsten amtierende Premierminister des Landes. Seine Anwälte erklärten in einem Schreiben an das Büro des Präsidenten, dass Netanjahu weiterhin davon überzeugt sei, dass das Gerichtsverfahren zu einem vollständigen Freispruch führen werde. Mit dem Ersuchen gehe kein Eingeständnis einer Schuld einher. Auch US-Präsident Donald Trump hat sich bereits in den Fall eingemischt. Der Republikaner schrieb Anfang November an Herzog und drängte ihn, eine Begnadigung in Betracht zu ziehen. Bei dem Verfahren gegen Netanjahu handele es sich um eine "politisch motivierte, ungerechtfertigte Strafverfolgung".



JUSTIZMINISTERIUM WIRD EINGESCHALTET
 
Herzogs Büro erklärte, der Antrag werde gemäß der
üblichen Vorgehensweise an die Begnadigungsabteilung des
Justizministeriums weitergeleitet, um Stellungnahmen einzuholen.
Am Ende werde der Rechtsberater des Präsidenten eine Empfehlung
formulieren. Der israelische Justizminister Yariv Levin ist
Mitglied von Netanjahus Likud-Partei und ein enger Verbündeter
des Premierministers.
 
In dem Video sagte Netanjahu, er müsse drei Mal pro
Woche aussagen. "Das ist eine unmögliche Forderung, die an
keinen anderen Bürger gestellt wird." Er habe durch wiederholte
Wahlsiege das Vertrauen der Öffentlichkeit gewonnen, so der
Ministerpräsident. Eine Begnadigung wird in Israel traditionell
erst nach Abschluss des Gerichtsverfahrens und der Verurteilung
des Angeklagten gewährt. Oppositionsführer Yair Lapid sagte,
Netanjahu solle nicht begnadigt werden - jedenfalls nicht ohne
ein Schuldeingeständnis, eine Reuebekundung und den sofortigen
Rückzug aus dem politischen Leben. Netanjahu wurde 2019 in drei
separaten, aber miteinander verbundenen Fällen angeklagt.
Der Regierungschef ist eine der polarisierendsten
politischen Persönlichkeiten seines Landes, zuletzt etwa wegen
der Härte des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen.
Netanjahu wurde 1996 zum ersten Mal zum Premierminister gewählt.
Seitdem war er sowohl in der Regierung als auch in der
Opposition tätig und kehrte nach den Wahlen 2022 in sein
jetziges Amt zurück. Die nächsten Wahlen finden im Oktober 2026
statt. Viele Umfragen deuten darauf hin, dass seine Koalition -
die rechtsgerichtetste in der Geschichte Israels -
Schwierigkeiten haben dürfte, genügend Sitze im Parlament für
eine Fortsetzung des Bündnisses zu gewinnen.

(Bericht von Alexander Cornwell, Tamar Uriel-Beeri und Omri Taasan, geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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