Wien, 01. Dez (Reuters) - Österreichs EZB-Ratsmitglied Martin Kocher sieht derzeit keinen unmittelbaren Handlungsbedarf für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Leichte Abweichungen nach oben oder nach unten vom Inflationsziel von zwei Prozent sollten jetzt noch keine Notwendigkeit für eine Reaktion auslösen, sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) der Tageszeitung "Kurier". Die EZB könne und wolle kein "geldpolitisches Mikro-Management" betreiben. "Wir sollten genug Pulver trocken halten, um rasch reagieren zu können, wenn das nötig werden sollte." Die EZB erwartet für das Jahr 2026 eine Teuerungsrate von 1,7 Prozent.
Kocher verwies zudem darauf, dass die Geldpolitik der EZB für den gesamten Euroraum einheitlich sei und nicht auf nationale Eigenheiten eingehen könne. Er erwarte jedoch, dass sich die Inflationsraten im Euroraum im kommenden Jahr angleichen werden. Dies sei auch gut so. Denn auf Dauer wäre es nicht gut, wenn auf die Differenzen zwischen den einzelnen Ländern geldpolitisch nicht reagiert werden könne, sagte Kocher.
Er warnte zudem vor Risiken für die Finanzstabilität durch hohe Bewertungen am US-Aktienmarkt. Gerade in den USA seien bei Aktien mit Bezug zu Künstlicher Intelligenz (KI) sehr hohe Bewertungen zu sehen. Zwar seien die Banken in Europa sehr stabil aufgestellt. Ein Problem aus den USA könne jedoch auch auf Europa überschwappen. "Eine gewisse Vorsicht, was die Bewertungen bei einzelnen US-Aktien betrifft, ist also schon gerechtfertigt."
Ein weiteres Risiko aus den USA sehe er in den Deregulierungsplänen der Regierung unter Präsident Donald Trump. Sollten Großbanken in den USA andere Regeln erhalten, sei dies nicht gut für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Institute. Europa dürfe bei einer Lockerung der Kapitalvorschriften jedoch nicht einfach nachziehen, da dies die Finanzmarktstabilität gefährden würde. Eine Reduktion der Kapitalquoten berge eine gewisse Gefahr "und das muss auch den USA klar sein", so Kocher.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)