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Die Junge Gruppe glaubt nicht an umfassende Rentenreform
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Misstrauen gegenüber Merz, Fraktionsführung und SPD
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Forsa-Chef: Mangelndes Vertrauen in Durchsetzungskraft Kanzler
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| Richten sich Loyalitäten der Jungen neu aus? |
| - von Andreas Rinke |
| Berlin, 03. Dez (Reuters) - Als Sepp Müller nach seiner |
| Position im Streit über das Rentenpaket der Bundesregierung |
| gefragt wurde, kam er sofort auf den Kern des Problems zu |
| sprechen: "Der Bundeskanzler hat uns persönlich sein Wort und |
| sein Versprechen gegeben. Und ich vertraue dem Bundeskanzler, |
| dass auf das Rentenpaket I das Rentenpaket II folgen wird", |
| sagte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am |
| Mittwoch im Deutschlandfunk. Denn bei der umstrittenen |
| Abstimmung am Freitag über den Gesetzentwurf zur sogenannten |
| Renten-Haltelinie bis 2031 geht es längst nicht mehr um die |
| Sache. Es geht um eine viel elementarere Frage der schwarz-roten |
| Regierung: Hat eine ausreichende Zahl von CDU- und |
| CSU-Abgeordneten noch Vertrauen in die Aussagen der eigenen |
| Fraktionsführung, des eigenen Parteichefs und Bundeskanzlers, |
| des CSU-Vorsitzenden und des Koalitionspartners SPD? Daran misst |
| sich auch die Regierungsfähigkeit. |
Am Montag nannte auch die rebellische Junge Gruppe in der Unionsfraktion das mangelnde Vertrauen als Grund, warum sie das Rentengesetz zur Haltelinie trotz aller Appelle von oben weiter für falsch hält. "Die Wahrscheinlichkeit einer großen Rentenreform, die genau die Kosten unter Kontrolle bringen wird, auf die der Koalitionspartner jetzt besteht, ist gering", heißt es in ihrer Erklärung. Im Klartext: Die gerade von den Spitzen der Koalition formulierte Zusicherung einer Rentenreform 2026 ist aus Sicht der jungen Unionisten nichts wert. Die Stimmung ist bei den jungen Abgeordneten deshalb so rebellisch, weil sie nicht mehr an künftige Reformen glauben.
Forsa-Chef Manfred Güllner sieht dabei ein grundsätzliches Vertrauensproblem in den Kanzler, das über die Junge Union hinausgeht. Nach dem neuesten RTL/ntv-Trendbarometer sind nur 22 Prozent der Wahlberechtigten mit der Arbeit von Merz zufrieden. Viele glauben mittlerweile nicht mehr an seine Durchsetzungskraft. Güllner verweist darauf, dass dies auch eine Folgewirkung seiner vollmundigen Ankündigungen im Bundestagswahlkampf ist: Die Kluft zwischen dem versprochenen "Politikwechsel" und der Realität einer Koalition mit den nötigen Kompromissen ist zu groß. Die jungen Unionsabgeordneten verweisen etwa immer wieder darauf, dass Merz schon bei der Schuldenbremse die Wahlkampfversprechen nicht eingehalten habe.
Nun kämpfen neben Merz auch Unionsfraktionschef Jens Spahn und CSU-Landesgruppenchef Alexander Hofmann um jede Stimme für das Rentenpaket in der Union. Aber auch ihr Versprechen auf eine Reform 2026 scheint nicht wirklich geglaubt zu werden. Nicht einmal die dramatische Warnung von Außenminister Johann Wadephul im CDU-Bundesvorstand, dass sich Deutschland angesichts der Eskalation in der Ukraine und der zentralen Rolle in Europa keine Regierungskrise leisten könne, hat bisher gefruchtet.
Dazu kommt, dass das Vertrauen in den Koalitionspartner SPD zumindest bei den Unions-Hinterbänklern gering zu sein scheint. Merz lobt zwar die Kompromiss- und Reformbereitschaft der SPD mittlerweile fast täglich. Im Koalitionsausschuss beschloss die SPD die besagte Zusatzerklärung zum Rentenpaket mit, die zusagt, wirklich alle Tabu-Themen zu prüfen. Aber auch führende Unions-Politiker beklagen, dass SPD-Co-Chefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas, mit ihrer Kritik an den Arbeitgebern und den Aussagen zum Bürgergeld das Misstrauen wieder verstärkt habe.
Und das Misstrauen sitzt tief, dass die Regierung 2026 mit fünf schwierigen Landtagswahlen eben doch keine Kraft aufbringen könnte, eine umfassende und auch schmerzhafte Rentenreform zu beschließen. Übrigens schon deshalb, weil eine Forsa-Umfrage gerade die Widersprüchlichkeit auch bei den Wählern zeigte: Diese hätten zwar gerne "Reformen" - aber zugleich lehnen sie ein höheres Renteneintrittsalter, niedrigere Renten und höhere Beiträge ab.
Dazu kommt das Problem der Loyalitäten und der Zukunftsplanung in der Union. Mit den schlechten Zustimmungswerten von Merz sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der 70-jährige Kanzler 2029 noch einmal antreten wird. Wer in CDU und CSU Karriere machen will, muss sich aber nach denen ausrichten, die in Zukunft die Union leiten werden. Das schränkt die Loyalität gegenüber Merz ein.
Auch deshalb kursierten bereits in der vergangenen Woche in Berlin Gerüchte, dass die Junge Gruppe nicht nur von Medien angefeuert wird, die eine AfD-Regierungsbeteiligung wollen, sondern möglicherweise auch Zuspruch aus bestimmten Unions-Ecken bekommt. Mal wurde auf CSU-Chef Markus Söder verwiesen, der generell gerne gegen die Berliner Politik stichelt und sich in der Rentendebatte anders als sein CSU-Landesgruppenchef auffällig zurückhält. Mal wurde in Richtung des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst gezeigt, des anderen "Kronprinzen" in der Union.
In beiden Lagern wird dies als purer Unsinn abgetan. Zumindest Wüst forderte die Junge Gruppe am Sonntag nachdrücklich auf, nun die Fahnen einzurollen und zuzustimmen. "Wenn man so verantwortungsvoll ist, dann wird man eine Regierung nicht in Schwierigkeiten bringen. Da bin ich auch ziemlich sicher", sagte er mit Blick auf Freitag.
(Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)