Berlin, 05. Dez (Reuters) - Die angeschlagene deutsche Industrie hat im Oktober den zweiten Monat in Folge mehr Aufträge erhalten. Die Bestellungen wuchsen um 1,5 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Wachstum von 0,4 Prozent gerechnet, nach einem Plus von aufwärts revidiert 2,0 (bisher: 1,1) Prozent im September. In ersten Reaktionen hieß es:
"Das sieht jetzt immerhin mal ein bisschen nach Bodenbildung aus. Wir haben eine deutliche Aufwärtsrevision für den September und ein klares Plus im Oktober, was immerhin auch nach Abzug der Großaufträge im leicht positiven Bereich liegt. Auffällig ist, dass vor allem die Aufträge aus dem Inland zugelegt haben. Hier dürfte sich womöglich das 'Investitionsbooster' genannte Programm der Bundesregierung auswirken. Vielleicht sind das aber auch Rüstungsaufträge, das lässt sich anhand der Daten nicht sagen. Machen wir uns aber nichts vor: Bis wir wirklich Grund für Zuversicht haben, ist noch ein weiter Weg zurückzulegen. Die Frühindikatoren und viele Konjunkturdaten zeigen, dass die allgemeine Stimmung tiefschwarz ist."
"Nach vorne schauend gilt: Deutsche Firmen sind laut der vierteljährlichen Umfrage der EU-Kommission unter europäischen Unternehmen so optimistisch hinsichtlich ihrer Auftragsentwicklung wie zuletzt während der Corona-Pandemie als es zu einem Industrieboom kam. Dass sich der Indikator als richtig erweist, zeigt bereits das Oktober-Zahlenwerk. Der deutliche Anstieg der Inlandsaufträge lässt darauf schließen, dass die höheren Infrastruktur- und Militärausgaben ihre positive Wirkung in der Realwirtschaft zeigen."
"Die positive Überraschung ist nicht nur, dass die Aufträge im Oktober spürbar gestiegen sind. Vielmehr haben die Statistiker auch die Zahlen für September deutlich nach oben revidiert. Damit haben die Auftragseingänge ohne die stark schwankenden Großaufträge den Einbruch im August mehr als wettgemacht. Jetzt kann man zumindest wieder von einer Seitwärtsbewegung der Orders sprechen. Trotzdem steckt die deutsche Industrie weiter in einer tiefen Strukturkrise. Wir erwarten für das nächste Jahr nur deshalb mehr Wirtschaftswachstum, weil die Bundesregierung die Nachfrage schuldenfinanziert anfacht."
"Der Zuwachs ist schön, Aufträge fehlen dennoch an allen Ecken und Enden. Dass das Auftragsniveau unter dem des Vorjahres liegt, spricht Bände. Die Aufwärtsrevision des Vormonats reicht immerhin zur Stabilisierung von Produktion und Kapazitätsauslastung. Große Sprünge sind aber weiter nicht zu erwarten, da Unternehmen wieder stärker über Materialmangel klagen. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit ist hoch, vor allem in der Automobilindustrie. Unternehmen benötigen dringend Schub aus dem Fiskalpaket und bessere Standortbedingungen. Andernfalls werden Abwanderungsüberlegungen weiter zunehmen."
(Bericht von Rene Wagner - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)