Nachricht


05.12.2025 /16:48:50
ANALYSE-Und die Gewinner der Rentenabstimmung sind ...

*

CDU/CSU-Fraktionschef Spahn liefert nach Kritik Meisterstück ab



*

Kanzler Merz zeigt, dass seine Regierung "funktioniert"



*

Fraktionen gehen selbstbewusster in Auseinandersetzung mit Regierung



*

Linke holt sich Aufmerksamkeit
 
- von Andreas Rinke
Berlin, 05. Dez (Reuters) - CDU/CSU-Fraktionschef Jens
Spahn war die Erleichterung am Freitag deutlich anzusehen. Nach
wochenlangem Ringen hatte die schwarz-rote Koalition das
Rentenpaket sogar mit einer sogenannten Kanzlermehrheit durch
den Bundestag bekommen. Die hektische Aufregung zuvor, die bis
zu Spekulationen über einen möglichen Bruch der Koalition
reichte, fiel in sich zusammen. Doch sofort stellt sich die
Frage: Was bedeutet die Verabschiedung für die weitere Arbeit
der Bundesregierung - und wer profitiert davon?
FRAKTIONSCHEF SPAHN GESTÄRKT

In der Unionsfraktion war man sich am Freitagnachmittag einig: Der eigentliche Gewinner - neben den angehenden Rentnern, die eine Haltelinie von 48 Prozent des Durchschnittslohns bis 2031 festgeschrieben bekommen - war Fraktionschef Spahn. Hatte es im Juli noch koalitionsintern Kritik gehagelt, weil er die Mehrheit der CDU/CSU-Abgeordneten bei der Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht nicht liefern konnte, hat er jetzt sein Meisterstück als neuer Fraktionschef abgeliefert. Erstmals hatte der CDU-Politiker zusammen mit anderen in Einzelgesprächen mit den Renten-Rebellen erreicht, dass am Ende nur noch sieben Abweichler gegen den mit der SPD abgestimmten Gesetzentwurf votierten und sich zwei enthielten. Er organisierte eine Teamleistung, in der auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann bei der Disziplinierung seiner Truppe erfolgreich war.

Allerdings: Die Auseinandersetzung vor allem mit den jungen Abgeordneten hat der Führungsriege der Union auch gezeigt, dass die Mehrheitsbeschaffung in der Fraktion anders funktioniert als früher. Die jungen Abgeordneten sind selbstbewusster, weniger lenkbar von oben - und gleichzeitig wankelmütiger wegen des Drucks durch soziale Medien. Gerade die Unionsfraktion ist schwerer zu führen als früher, als gerade sie als Kanzler- oder Kanzlerinnen-Abnick-Verein galt.

KANZLER MERZ

Zu den Gewinnern zählt auch Kanzler Friedrich Merz. Denn in wenigen Tagen wird niemanden mehr interessieren, wie groß die Mehrheit war: Erfolgreiche Politik besteht vor allem darin, Ergebnisse zu produzieren, alles andere wird als Schwäche ausgelegt. Allerdings wurde in der Auseinandersetzung auch klar, wie groß das Misstrauen gerade der Jüngeren gegenüber dem Kanzler ist. Schon bei der Lockerung der Schuldenbremse hatten sie ihm vorgeworfen, zuvor keine Strukturreformen durchgesetzt zu haben. Das Misstrauen ist groß, dass der Kanzler sein am Freitag erneuertes Versprechen nicht einhalten wird, 2026 eine wirklich grundlegende Rentenreform zu beschließen. "Der Kanzler ist heute ein geschwächter Sieger. Die Debatte hat die Grenzen seiner Autorität aufgezeigt", meint deshalb der Politikberater Johannes Hillje.

Allerdings: Der Abstimmungserfolg lässt schnell in Vergessenheit geraten, dass gerade ihm viele in der Unions- und der SPD-Fraktion eine Mitschuld gegeben hatten, dass es überhaupt zu dieser Eskalation kam: Denn anfangs hatte der CDU-Vorsitzende die Junge Gruppe glauben lassen, dass er ihre Einwände gegen den Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums teilt. Erst spät machte er der Jungen Union klar, dass sie nicht mit einer Änderung in dem Gesetzentwurf rechnen kann.

SPD UND BAS

Die SPD wiederum gehört zu den Gewinnern, schlicht weil die Koalition zusammenbleibt - zumindest bis zum kommenden Jahr. Aber mit dem Prüfauftrag für die Rentenkommission ist die Erwartungshaltung gestiegen, dass auch die Sozialdemokraten im kommenden Jahr einige ihrer Tabuthemen in der Sozialpolitik abräumen müssen. Wenn es überhaupt eine Verliererin der Rentendebatte gibt, dann ist dies Arbeitsministerin Bärbel Bas. Die Bemerkung der SPD-Co-Vorsitzenden, dass die Arbeitgeber der eigentliche Gegner der SPD seien, hat das Misstrauen in ihre Reformwilligkeit beim Koalitionspartner massiv erhöht. Umso mehr setzt die Union nun wieder auf SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil, dem größere Offenheit für Reformen nachgesagt wird.

DIE REGIERUNGSFRAKTIONEN

Und noch einen Gewinner gibt es - die beiden Regierungsfraktionen. Erst die Bemühungen der beiden Fraktionschefs, eine Zusatzerklärung für die Rentenkommission vorzulegen, brachte die Wende und rettete die Regierung. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der etwa in der Debatte um das sogenannte Verbrenner-Aus noch zu den Bremsern gehörte, machte hier mit. Und beide Fraktionen eint durch die Rentendebatte dieselbe Analyse: Etliche Probleme der Koalition verursacht die Regierungsmannschaft - durch schlechte Absprachen oder schlechte Gesetzesarbeit. Die Konsequenz: Künftig wollen die Fraktionen schon aktiv werden, bevor Gesetzentwürfe überhaupt im Kabinett verabschiedet werden. Die Regierungsmannschaft steht ab sofort unter verschärfter Kontrolle.

DIE LINKE

Die oppositionelle Linke hat sich mit ihrer Ankündigung einer Enthaltung beim Rentenpaket in die Schlagzeilen katapultiert. Zwar hatte dies am Ende keinen Einfluss auf die Entscheidung, weil Union und SPD genug Stimmen für eine eigene Mehrheit zusammenbekamen. Aber Aufmerksamkeit ist eine wichtige Währung in der politischen Auseinandersetzung - und die Partei konnte Verantwortungsbewusstsein demonstrieren, weil sie das Rentenpaket nicht gefährden wollte. Das schmerzte vor allem die CDU, die eisern an ihrem "Unvereinbarkeitsbeschluss" nicht nur mit der AfD, sondern auch der Linken festhält.

(Mitarbeit: Sarah Marsh; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.