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10.12.2025 /12:30:00
VORSCHAU-Rechter Hardliner Favorit bei Präsidentschafts-Stichwahl in Chile

Santiago, 10. Dez (Reuters) - Chile steht vor einem Rechtsruck: Bei der Präsidenten-Stichwahl am Sonntag gilt der rechtskonservative Hardliner Jose Antonio Kast als klarer Favorit. Ein Sieg des 59-Jährigen gegen seine linke Konkurrentin Jeannette Jara von der Kommunistischen Partei würde die tiefgreifendste politische Wende seit dem Ende der Militärdiktatur von Augusto Pinochet im März 1990 für das Land bedeuten. Umfragen sehen Kast deutlich vorn, da sich die Wähler angesichts von Berichten über Kriminalität und Migration vor allem Sicherheit wünschen. Die Sorge darum hat die Forderungen nach mehr sozialer Gleichheit als wahlentscheidendes Thema abgelöst.

Ein Sieg Kasts würde auch den Aufstieg rechter Regierungen in Lateinamerika untermauern. "Es würde Chiles rechtesten Präsidenten seit Pinochet an die Macht bringen", sagte Nicholas Watson von der Beratungsfirma Teneo. Diktator Pinochet hatte das südamerikanische Land von 1973 bis 1990 mit eiserner Faust regiert. Kast selbst hatte sich als Student 1988 für einen Verbleib Pinochets an der Macht eingesetzt. Watson betonte jedoch, Kast sei ein Demokrat und weniger polternd als andere rechte Politiker in der Region wie Javier Milei in Argentinien oder Nayib Bukele in El Salvador. "Kast ist kein Pinochet", sagte Watson. "Eine der großen Fragen bei einem Wahlsieg wird sein, wie ideologisch flexibel er sich zeigen wird."

Kast hat zugesagt, das Militär in Vierteln mit hoher Kriminalität einzusetzen. Zudem will er Grenzmauern und -gräben errichten und eine Spezialeinheit der Polizei nach dem Vorbild der US-Einwanderungsbehörde ICE schaffen. Diese soll Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus aufspüren und abschieben. Regierungsdaten zufolge stammen diese mehrheitlich aus Venezuela.

Um seine Reformen durchzusetzen, wäre Kast jedoch auf Kompromisse in einem gespaltenen Kongress angewiesen. "Die Abgeordneten, die Kast für eine Mehrheit braucht, sind gemäßigt", sagte Patricio Navia, Professor an der New York University. "Wenn er anfängt, vom rechten Rand aus zu regieren, wird er ein Minderheitspräsident sein und nichts durchsetzen können." Ein ähnliches Schicksal erlitt bereits der scheidende linke Präsident Gabriel Boric, dessen Versuche, die Verfassung aus der Pinochet-Ära zu ersetzen, zweimal von den Wählern klar abgelehnt wurden.

Im ersten Wahlgang lagen Jara und Kast mit jeweils rund einem Viertel der Stimmen fast gleichauf, mit einem leichten Vorteil für Jara. Die Stimmen der übrigen rechten Kandidaten dürften jedoch größtenteils an Kast gehen, was ihm die für einen Sieg nötigen 50 Prozent sichern würde. Für Unsicherheit sorgt, dass rund 20 Prozent der Wähler noch unentschlossen sind und der drittplatzierte Kandidat Franco Parisi seine Anhänger aufgerufen hat, ungültig zu stimmen. Die meisten Analysten halten einen Sieg Jaras jedoch für sehr unwahrscheinlich. "Das Wichtigste am Sonntag wird nicht sein, ob Kast gewinnt, das wissen wir bereits, sondern was er in seiner Rede sagt", erklärte Navia. "Wird es ein Zeichen der Einheit oder ein Zeichen der Spaltung sein?"

(Bericht von Alexander Villegas und Lucinda Elliott, unter Mitarbeit von Rodrigo Campos; geschrieben von Anneli Palmen, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)



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