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BFH: Bewertungsregeln verstoßen nicht gegen Grundgesetz
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Kläger: Pauschale Bewertung führt oft zu überhöhten Steuern
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BFH: Gesetzgeber darf für praktische Umsetzung Abstriche machen
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| Verbände wollen Bundesverfassungsgericht anrufen |
| (neu: Bundesfinanzministerium) |
| - von Jörn Poltz |
| München, 10. Dez (Reuters) - Die pauschale Ermittlung |
| des Werts von Wohnungen und Wohnhäusern für die Grundsteuer in |
| den meisten Bundesländern verstößt dem Bundesfinanzhof (BFH) |
| zufolge nicht gegen das Grundgesetz. Das vom Bund beschlossene |
| Grundsteuerreformgesetz sei verfassungsgemäß, sagte die |
| Vorsitzende Richterin Francesca Werth bei der Urteilsverkündung |
| am Mittwoch in München. Der in der Verfassung verankerte |
| Gleichheitsgrundsatz werde damit nicht verletzt. "Der |
| Gesetzgeber darf generalisierende, pauschalisierende und |
| typisierende Regelungen treffen", sagte Werth. Dass damit für |
| einige Immobilien ein höherer Wert angesetzt werde als der |
| Marktwert, müsse man angesichts der Masse der Steuerfälle in |
| Kauf nehmen. |
Betroffen sind nach Angaben der Kläger rund 20 Millionen Wohnungen und Wohnhäuser in elf Bundesländern, in denen das sogenannte Bundesmodell der Grundsteuer gilt. Fünf Bundesländer haben im Rahmen einer Öffnungsklausel abweichende Gesetze eingeführt. Betroffen sind sowohl Eigentümer als auch Mieter, da Eigentümer die Grundsteuer auf ihre Mieter abwälzen können.
| Eine Sprecherin des SPD-geführten |
| Bundesfinanzministeriums sagte in Berlin, das Urteil bestätige |
| die Rechtsauffassung des Ministeriums, das federführend an der |
| Reform beteiligt war. "Mit der Reform der Grundsteuer wird eine |
| Neubewertung der Grundstücke mit objektiven Kriterien |
| gewährleistet." Das Urteil habe vor allem für die Haushalte der |
| Kommunen enorme Bedeutung. Deswegen sei zu begrüßen, dass nun |
| Rechtssicherheit bestehe. |
| FÄLLE WERDEN INS KARLSRUHE LANDEN |
| Der Zweite Senat des höchsten deutschen Finanzgerichts |
| entschied in drei beispielhaften Verfahren aus |
| Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen. Nach Ansicht der |
| klagenden Immobilieneigentümer führt das Pauschalverfahren zu |
| unrealistischen Wertangaben und damit oft zu überhöhten Steuern. |
| Die von den betroffenen Immobilieneigentümern verklagten |
| Finanzämter hatten vor den Finanzgerichten der Bundesländer |
| Recht bekommen. Die Kläger waren daraufhin vor den BFH in |
| München gezogen und wollen nun das Bundesverfassungsgericht in |
| Karlsruhe anrufen. |
"Wir werden auf jeden Fall nach Karlsruhe gehen, Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil einreichen und uns die Meinung von Karlsruhe anhören", kündigte der Präsident des Immobilienbesitzerverbands Haus und Grund, Kai Warnecke, in München an. "Die neue Grundsteuer ist für viele Bürger komplexer, teurer und ungerechter geworden." Der Bund der Steuerzahler (BdSt) will das Verfahren gemeinsam mit Haus und Grund vorantreiben. BdSt-Präsident Reiner Holznagel bezeichnete die Bewertungsregelung auch als Belastung für den ohnehin knappen und teuren Wohnraum. "Die Grundsteuer ist mittlerweile auch eine Komponente, die vielen Menschen wehtut."
Der BFH entschied, bei der Abwägung zwischen Genauigkeit der Bewertung und Umsetzbarkeit in der Praxis habe der Gesetzgeber einen großen Spielraum. Der Gesetzgeber könne "Praktikabilitätserhebungen den Vorzug vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit einräumen und dabei auch beträchtliche Bewertungs- und Ermittlungsunschärfen in Kauf nehmen, um die Festsetzung und Erhebung der Steuer handhabbar zu machen", sagte Richterin Werth. "Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht allein schon wegen der damit verbundenen unvermeidlichen Härten vor."
Die von den Klägern nun angefochtenen Bewertungsregeln der Finanzämter werden seit diesem Jahr für die Festsetzung der Grundsteuer herangezogen. Die konkrete Steuer wird jeweils von den Städten und Gemeinden festgesetzt und ist für diese eine wichtige Einnahmequelle. Die Neuregelung war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die alte bundesweite Regelung für ungerecht und damit als verfassungswidrig erklärt hatte. Während die meisten Länder das neue Bundesmodell anwenden, haben Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen eigene Bewertungsregeln. Für Immobilien in diesen Ländern hätten die Urteile vom Mittwoch keine Konsequenzen, betonte der BFH.
(Bericht von Jörn Poltz, Mitarbeit von Christian Krämer. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)