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Dreigipfel in London, Trump-Gespräch, Europäer-Treffen in Berlin
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| USA machen hinter Kulissen Druck |
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| Hoffnung auf die frozen assets |
| - von Andreas Rinke |
| Berlin, 10. Dez (Reuters) - Die europäischen Staats- und |
| Regierungschefs beschleunigen ihre Ukraine-Krisendiplomatie |
| immer stärker. Nachdem sich Kanzler Friedrich Merz, der |
| britische Premierminister Keir Starmer, Frankreichs Präsident |
| Emmanuel Macron und der ukrainische Präsident Wolodymyr |
| Selenskyj bereits am Montag in London getroffen hatten, |
| telefonierten die sogenannten E3 am Mittwoch mit US-Präsident |
| Donald Trump. Am Donnerstag soll es eine weitere Schalte der |
| sogenannten "coalition of the willing", also der |
| Ukraine-Unterstützer, geben. Kommenden Montag sollen sich nach |
| Angaben von EU-Diplomaten in Berlin mehr als ein Dutzend |
| europäischer Staats- und Regierungschefs am Rande des |
| deutsch-ukrainischen Wirtschaftstages treffen. Dann sollen neben |
| Macron und Starmer auch etwa die Regierungschefs aus Norwegen |
| und Dänemark und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni |
| kommen. |
Drei Tage später, am Donnerstag kommender Woche, soll der EU-Gipfel dann die Nutzung der eingefrorenen russischen Staatsvermögen für einen Milliardenkredit an die Ukraine beschließen. EU-Ratspräsident Antonio Costa warnte in seiner Einladung, dass er die EU-27 so lange in Brüssel halten will, bis der Beschluss gefallen sei.
Auslöser des Abstimmungsmarathons ist der hektische Vermittlungsversuch, den Trump mit seiner Forderung gestartet hatte, dass die Ukraine und Russland bis zum Thanksgiving (27. November) einem 28-Punkte-Plan der USA zustimmen sollten, der breite Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland vorsah. Dies kam aber nie zustande, weil zum einen Russlands Präsident Wladimir Putin gar kein Interesse an einem Waffenstillstand hat. Zum anderen lehnen die Ukraine und die Europäer etliche Punkte strikt ab - unter anderem die Überweisung eines Teils des eingefrorenen russischen Staatsvermögens an die USA.
Am Montag verabredeten Merz, Macron, Starmer und Selenskyj dann einen 20-Punkte-Plan, um von der Defensive in die Offensive zu kommen. Das gilt auch deshalb als wichtig, weil Trumps eiliges Vorgehen den ukrainischen Präsidenten schwächt. Dieser gilt durch die Korruptionsaffäre im engsten Umfeld in Kiew als so angeschlagen, dass Putschgerüchte die Runde machen. Trump schürt die Unsicherheit noch, indem er Wahlen fordert, die sich schon angesichts der russischen Besetzung von 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes kaum durchführen lassen.
Europäer und die Ukraine haben deshalb nun ein Papier ausgearbeitet, das den Schaden auch für Selenskyj begrenzen soll. Es enthält Elemente wie die Aufnahme von Gesprächen auf der Basis der jetzigen Kontaktlinie beider Armeen. Das Problem: Die USA verfügen immer noch über entscheidende Druckmittel, um ihren Willen durchzusetzen. Die europäische Rüstungsindustrie ist noch nicht in der Lage, die Ukraine mit ausreichenden Waffen und etwa Patriot-Luftabwehrsystemen zu beliefern. Sollte Trump die Geduld verlieren, weil er doch nicht als der gewünschte Friedensstifter in die Geschichte eingehen kann, könnte er schmollend den Ukrainern auch überlebenswichtige Satelliten-Daten entziehen. Auf all diese Entwicklungen müssen sich die Europäer vorbereiten - zumal das Vertrauen in die USA nach Aussage von EU-Diplomaten auch durch die jüngst erschienene Nationale Sicherheitsstrategie nachhaltig erschüttert ist.
Ein zentrales Element in den europäischen Bemühungen ist dabei, die Finanzierung der Ukraine in den kommenden Jahren zu sichern, damit Putin nicht auf einen Zusammenbruch der Ukraine spekulieren kann. Merz will bis Donnerstag kommender Woche eine Einigung erreichen und war vergangenen Freitag extra nach Brüssel geflogen, um mit dem sich widersetzenden belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever zu reden. Gelingt es, der Ukraine die bis zu 165 Milliarden Euro durch eine komplizierte Beleihstruktur auf das russische Staatsvermögen zur Verfügung zu stellen, wäre sehr viel gewonnen - für die Ukraine und die Europäer. Denn aus den nationalen Haushalten können die EU-Staaten und Großbritannien das nötige Geld für die Unterstützung der Ukraine immer weniger aufbringen.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)